Siebtes Buch

Das Buch vom Yoga

Dritter Canto

Der Eintritt in die inneren Länder

Zunächst war sie aus dem emsigen Gesumme des Mentals

Wie aus lautem Marktgetümmel in einen Höhlenraum gelangt

Durch die Magie eines inneren Augenblicks.

Ein strenge stille Leere wurde ihr Selbst:

Ihr mentaler Geist, von des Denkens Stimme nicht mehr besucht,

Starrte auf die stumme Unermesslichkeit einer leeren Tiefe.

Ihre Höhen wichen zurück, hinter ihr schlossen sich ihre Tiefen;

Alles entfloh und ließ sie leer zurück.

Doch wenn sie zurückkam in ihr Selbst des Denkens,

War wieder sie auf Erden ein menschlich Ding,

Ein Klumpen Materie, ein Haus versperrter Sicht,

Ein Mental, gezwungen Unwissen auszudenken,

Eine Lebenskraft, eingepfercht in ein Arbeitslager,

Und die materielle Welt ihr begrenzendes Feld.

Verwundert wie eine Unkundige suchte sie ihren Weg

Aus dem Wirrwarr des Menschen unwissender Vergangenheit,

Die die Oberflächenperson für die Seele hielt.

Dann sprach eine Stimme, die auf geheimen Höhen wohnte:

„Du suchst für den Menschen, nicht für dich allein.

Nur wenn Gott selbst den menschlichen Geist annimmt

Und sterbliche Unwissenheit als sein Gewand anlegt

Und sich selbst zum Zwerg mit dem dreifachen Schritte macht,

Kann er dem Mensch wachsen helfen in den Gott.

Als Mensch verkleidet wirkt die kosmische Größe

Und findet die mystische unzugängliche Pforte

Und öffnet des Unsterblichen goldne Tür.

Der Mensch, menschlich, folgt Gottes menschlichen Schritten.

Sein Dunkel auf dich nehmend, musst du ihm Licht bringen,

Sein Leid auf dich nehmend, musst du ihm Seligkeit bringen.

Im Körper der Materie finde deine himmelgeborene Seele.“

Dann wogte Savitri aus des Körpers Wall

Und stand eine kurze Zeitspanne außerhalb von sich

Und blickte in die Tiefen ihres subtilen Wesens

Und ahnte in dessen Herz, gleich einer Lotusknospe,

Ihre geheime und mysteriöse Seele.

An das schummrige Portal des inneren Lebens,

Das von unseren Tiefen das Mental des Körpers ausschließt

Und alles, was nur vom Atem des Körpers lebt,

Klopfte sie und drückte gegen das Tor aus Ebenholz.

Das lebendige Portal ächzte mit mürrischer Angel:

Schwer widerstrebend klagte es träge

Gegen die Tyrannei des Geistes Berührung.

Eine furchterregende Stimme schrie aus dem Inneren:

„Zurück, Erdengeschöpf, dass nicht qualvoll und zerrissen du stirbst.“

Ein grässlich Murren schwoll wie ein düsteres Meer;

Die Schlange der Schwelle erhob sich zischend,

Eine fatale Wächterhaube mit monströsen Windungen,

Die Hunde der Finsternis knurrten mit fletschenden Zähnen,

Und Trolle und Gnome und Kobolde blickten finster und glotzten

Und das Geheul wilder Bestien ließ das Blut vor Angst erstarren

Und Drohung brummelte in einem gefährlichen Ton.

Unerschüttert drückte ihr Wille gegen die festen Riegel:

Da schwang das Tor weit auf mit einem protestierenden Gekreisch,

Die Gegenmächte ließen ab von ihrer furchtbaren Wacht;

Ihr Wesen trat in die inneren Welten ein.

In einem schmalen Gang, des Unterbewussten Tor,

Atmete sie mit Mühe und Schmerz und strebte,

Das innere Selbst zu finden, das im Sinn verborgen ist.

Hinein in eine Dichte von subtiler Materie gepackt,

Einem Hohlraum, gefüllt mit einer blinden Masse von Macht,

Einem Widerstand von irreführenden Schimmern,

Einem schweren Hindernis nichtsehender Sicht,

Erzwang sie ihren Weg durch den Körper zur Seele hin.

Eine gefahrvolle Grenzlinie überquerte sie,

Wo Leben in unterbewussten Dämmer taucht

Oder von Materie ins Chaos des Mentalen drängt,

Umwimmelt von elementaren Wesenheiten

Und flatternden Formen vagen halbverkörperten Denkens

Und rohen Anfängen zügelloser Kraft.

Da war ein schwieriger Engpass erst,

Ein Druck von unbestimmten Mächten und dahintreibenden Willen;

Alles war da, nichts aber an seinem Platz.

Zuweilen kam eine Öffnung, ein Tor wurde aufgestoßen;

Sie durchquerte Räume eines geheimen Selbstes

Und wandelte in Gängen innerer Zeit.

Zuletzt brach sie in eine Form von Dingen ein,

Einen Anfang von Endlichkeit, eine Welt der Sinne:

Doch alles war noch verworren, nichts fand sich selbst.

Seele gab es dort nicht, nur Schreie des Lebens.

Eine geschäftige und lärmende Luft umhüllte sie.

Eine Horde von Lauten trotzte jeglicher Bedeutung,

Ein misstönender Zusammenprall von Schreien und konträrer Rufe;

Eine Schar von Gesichten drängte sich über den Blick,

Ein drängelnder Ablauf ohne Sinn und Folge,

Gefühle durchstießen ein vollgepacktes und beladenes Herz,

Jedes erzwang seinen gesonderten folgewidrigen Weg

Und kümmerte sich um nichts als um den Trieb seines Egos.

Eine Zusammenkunft ohne Schlüssel eines gemeinsamen Willens,

Gedanke starrte auf Gedanke und zerrte an dem angespannten Hirn

Wie um die Vernunft von ihrem Sitz zu reißen

Und ihren Leichnam in die Gosse des Lebens zu werfen;

So könnte dann vergessen im Morast der Natur

Der Wächter der Seele liegen, verlassen und erschlagen.

So könnte des Lebens Macht die Aufsicht des Mentals abschütteln,

Natur sich von des Geistes Herrschaft lossagen

Und die nackten elementaren Energien

Den Sinn zu einer Glorie unbändiger Freude machen,

Zu Herrlichkeit ekstatischer Anarchie,

Zu mächtigem und verrücktem Schwelgen völliger Seligkeit.

Dies war der Instinkt des Sinnes, wenn seelenleer

Oder wenn die Seele verborgen machtlos schläft,

Erst jetzt erwacht die vitale Gottheit im Innern

Und erhebt das Leben durch den Hauch des Überirdischen.

Doch wie soll die Glorie und die Flamme kommen

Wenn das Mental in den Abgrund geworfen ward?

Denn Körper ohne Mental hat nicht das Licht,

Die Verzückung des Geistgefühls, die Lebensfreude;

Unterbewusst, düster, wird dann alles,

Nichtbewusstsein setzt sein Siegel auf die Seite der Natur

Oder eine verrückte Wirrnis durchwirbelt das Gehirn,

Eilend die Wege verwüsteter Natur entlang,

Ein Chaos von ungeordneten Impulsen,

In das kein Licht zu kommen vermag, keine Freude, kein Friede.

Dieser Zustand drohte nun, diesen stieß sie von sich.

Wie mitgetrieben auf einer langen endlos wabernden Straße

Inmitten stampfend dahineilender Menge

Schritt sie Stunde um Stunde ohne Erlösung

Und hielt mit ihrem Willen die unvernünftige Meute in Schach;

Sie riss ihren Willen aus dem fürchterlichen Druck

Und fixierte ihr Denken auf den Retternamen;

Da wurde alles still und leer; sie war frei.

Eine große Befreiung kam, ein weiter ruhiger Raum.

Eine Weile bewegte sie sich durch eine leere Friedlichkeit

Von nacktem Licht aus einer unsichtbaren Sonne,

Einer Leere, die ein körperloses Glück war,

Einem seligen Vakuum von namenlosem Frieden.

Doch jetzt nahte die Front einer mächtigeren Gefahr:

Der Druck des körperlichen Mentals, des Nichtbewussten Ausgeburt

Von ziellosem Denken und Wollen war von ihr abgefallen.

Herannahend zeichnete sich ein riesiges Haupt des Lebens ab,

Unbeherrscht von Mental oder Seele, unterbewusst, riesig.

Es warf alle Kraft in einen einzigen Stoß,

Es machte seine Kraft zur Gewalt gefährlicher Meere.

In die Stille ihres schweigenden Selbstes,

In die Weiße seiner Versunkenheit des Raumes

Brach eine Flut, ein Sturzbach der Rasanz des Lebens ein

Wie eine windgepeitschte und getriebene Rotte von Wellen,

Rennend über einen bleichen Boden von Sommersand;

Die Ufer ertränkte steigender Wogen Berg.

Ungeheuerlich war seine gewaltige und leidenschaftliche Stimme.

Es schrie ihrem lauschenden Geist vorbeirasend zu,

Verlangend Gottes Unterwerfung an entfesselte Kraft.

Als eine taube Kraft, die einem stummen Zustand zurief,

Als tausend Stimmen in einer verstummten Weite,

Verlangte es des Herzens Beistand für seinen Griff nach Freude,

Für seinen Tatendrang die Zustimmung der Zeugenseele,

Für seine Lust an der Macht das Siegel ihres neutralen Wesens.

In die Weiträumigkeit ihres betrachtenden Selbstes

Brachte es einen grandiosen Windstoß von dem Lebensatem;

Sein reißender Strom trug die Hoffnungen und Ängste der Welt,

Des ganzen Lebens, der ganzen Natur unzufrieden hungrigen Schrei,

Und die Sehnsucht, die alle Ewigkeit nicht stillen kann.

Es rief den Berggeheimnissen der Seele zu

Und dem Wunder des nie erlöschenden Feuers,

Es sprach zu einer ersten unsagbaren Ekstase,

Verborgen im schöpferischen Puls des Lebens;

Den niederen ungesehenen Tiefen entriss es

Seine Verlockung und seinen Zauber einer verworrenen Seligkeit,

In das Erdlicht goss es sein Irrlicht von bestrickendem Reiz

Und den berauschenden Trank der Urfreude der Natur

Und das Feuer und Mysterium der verbotenen Wonne,

Getrunken aus dem bodenlosen Brunnen der Weltlibido,

Und den honigsüßen Giftwein von Lust und Tod,

Doch Lese der Lebensgötter Glorie gewähnt,

Und als goldner Stachel himmlischen Entzückens gefühlt.

Die Zyklen der Unendlichkeit des Begehrens

Und das Mystische, das eine unverwirklichte Welt erschuf,

Weiter als das Bekannte und näher als das Unbekannte,

In der auf ewig die Hunde des Mentals und Lebens jagen,

Verlockten einen tiefen ungesättigten Drang im Innern

Nach dem Unerfüllten und stets Fernen sich zu sehnen

Und dies Leben auf beschränkender Erde hier

Zum Aufstieg gen Gipfel zu machen, die in der Leere verschwinden,

Zur Suche nach der Herrlichkeit des Unmöglichen.

Es träumte von dem, was noch nie gewusst war,

Es griff nach dem, was noch nie erlangt wurde,

Es verfolgte in eine elysische Erinnerung

Die Zauber, die vor des Herzens bald verlorener Freude fliehen;

Es wagte die Kraft, die tötet, die Freuden, die schmerzen,

Die bildhafte Form von unvollendeten Dingen

Und die Aufforderung zu einem zirzischen Verwandlungstanz

Und Leidenschafts Pacht der Liebeshöfe

Und wilden Tieres Toben und Tollen mit Schönheit und Leben.

Es brachte sein Geschrei und Gewoge der Gegenkräfte,

Seine Augenblicke der Berührung lichter Ebenen,

Seine Flammenaufstiege und himmelstürmenden gewaltigen Versuche,

Seine feurigen Türme des Traumes, gebaut auf den Winden,

Sein Sinken zum Dunkel und zum Abgrund hin,

Seinen Honig der Zärtlichkeit, seinen herben Wein des Hasses,

Seinen Wechsel von Sonne und Wolken, von Lachen und Tränen,

Seine bodenlosen Gefahrengruben und schlingenden Schlünde,

Seine Angst und Freude und Ekstase und Enttäuschung,

Seine okkulten Hexereien, seine einfachen Linien

Und großartigen Begegnungen und hehren Aufschwünge,

Seinen Glaube an den Himmel, seinen Verkehr mit der Hölle.

Diese Mächte waren nicht stumpf durch die Eigenmasse der Erde,

Sie gaben den Geschmack von Ambrosia und den Stachel von Gift.

Da war eine Inbrunst im Blick des Lebens,

Die das Himmelsblau sah in der grauen Luft der Nacht:

Die Impulse schwebten gottwärts auf Flügeln der Leidenschaft.

Des Mentals geschwinde Gedanken flossen von deren hohen Nacken,

Eine leuchtende Herrlichkeit wie von irisfarbener Mähne,

Ein Prachtgeschmeide von Licht reiner Intuition;

Deren flammenfüßigen Galopp konnten sie imitieren:

Stimmen des Mentals ahmten den Druck der Inspiration nach,

Deren Nachdruck untrüglicher Gültigkeit,

Deren Schnelligkeit und blitzenden Himmelssprung der Götter.

Als scharfe Klinge, die die Netze des Zweifels durchschneidet,

Schien sein Schwert der Unterscheidung beinah göttlich zu sein.

Doch all dies Wissen war von einer geborgten Sonne;

Die Formen, die kamen, waren nicht des Himmels eigene Geburten:

Eine innere Stimme konnte das Wort des Unwirklichen sprechen;

Seine gefährliche und absolute Macht

Vermochte Gift mit Gottes Wein zu mischen.

Auf diesen leuchtenden hohen Rücken konnte Falschheit reiten;

Wahrheit lag mit Freude in des Irrtums leidenschaftlichen Armen,

Stromabwärts gleitend in einer fröhlich vergoldeten Barke:

Sie schärfte ihren Strahl mit einer wunderbaren Lüge.

Hier in des Lebens niederen Gefilden treffen sich alle Gegensätze;

Wahrheit starrt und verrichtet ihre Werke mit verbundenen Augen

Und Unwissen ist hier Patron der Weisheit:

Diese galoppierenden Hufe in ihrer enthusiastischen Eile

Konnten hin zu einer gefährlichen Zwischenzone tragen,

Wo der Tod im Gewand des todlosen Lebens wandelt.

Oder sie betreten das Tal des schweifenden Schimmers,

Woraus Seelen, Gefangene oder Opfer des trügerischen Strahles,

Aus den Fallen jener Region nie mehr entrinnen können.

Als Mittler, nicht als Meister, dienen sie den Begierden des Lebens,

Für immer sich mühend in der Schlinge der Zeit.

Ihre Körper, geboren aus dem Schoße eines Nihils,

Umgarnen den Geist in Träumen eines Augenblicks,

Dann verendet, speien sie die unsterbliche Seele

Aus dem Bauch der Materie in den Pfuhl des Nichts.

Doch manch Unerfasster, Unerschlagener, kommt mit Bedacht hindurch,

Das Bild der Wahrheit im geschützten Herzen tragend,

Rupfen Wissen aus dem abschirmenden Griff des Irrtums,

Brechen Wege durch die blinden Mauern des kleinen Selbstes

Und ziehen dann weiter gen größeres Leben.

All dies strömte an ihr vorbei und erschien dem Blick ihrer Schau

Als ob um eine hohe und lautlose Insel

Ein Tosen von Wassern aus fernen unbekannten Bergen

Ihre schmalen Ufer mit drängenden Wellen schluckte

Und machte eine hungrige Welt aus weiß wilder Gischt:

Eilend, ein Drache mit millionen Füßen,

Sein Schaum und Brüllen wie das Toben eines betrunkenen Riesen,

Schleudernd eine Mähne der Finsternis in Gottes Himmel,

Verebbte es weichend zu fernem Gebraus.

Dann lächelte wieder eine weite und ruhige Luft:

Blauer Himmel, grüne Erde, Gefährten im Reich der Schönheit,

Lebten wie seit alters gemeinsam im Glück;

Und im Herzen der Welt lachte die Freude des Lebens.

Alles war jetzt still, der Boden strahlte trocken und rein.

Sie mied all das, tauchte nicht in die trügerischen Wogen.

Aus der Weite des schweigenden Selbstes

Floh das Getöse des Lebens hinweg; stumm und frei war ihr Geist.

Dann weiter reisend durch die weite Stille des Selbstes

Kam sie in einen strahlend geordneten Raum.

Dort residierte die Lebensmacht, umfriedet von gewappneter Ruhe;

Eine Kette war um ihr starkes rebellisches Herz gelegt.

Gebändigt zur Bescheidenheit eines gemessenen Schrittes,

Behielt sie nicht mehr ihren ungestümen Schritt und Drang;

Sie hatte die sorglose Hoheit ihrer Muse verloren

Und die stattliche Größe ihrer königlichen Kraft;

Gezügelt war ihr gewaltiges Gepränge, ihr festliches Geprass,

Ernüchtert die Schwelgereien ihres bacchantischen Spieles,

Unterbunden ihr Verschwenden im Basar der Begierde,

Gezügelt ihr Despotenwille, der Tanz ihrer Fantasie,

Eine kalte Starrheit band den Aufruhr der Sinne.

Ein Königtum ohne Freiheit war ihr Los;

Die thronende Herrscherin gehorchte ihren Ministern:

Ihre Dienerschaft Mental und Sinn regierte ihr Haus:

Des Geistes Bereich engten sie in starre Grenzen ein

Und wahrten mit einer Phalanx von gepanzerten Regeln

Der Vernunft ausgewogene Herrschaft, hielten Ordnung und Frieden.

Ihr Wille lebte eingeschlossen hinter eisernen Mauern des Gesetzes,

Gebunden ward ihre Kraft durch Ketten, die zu schmücken vorgaben,

In eine Festung gesperrt ward die Vorstellungskraft,

Ihr zügelloser und unzüchtiger Liebling;

Der Realität Gleichmaß und der Vernunft Symmetrie

Wurden an deren Stelle gesetzt, bewacht von geordneten Fakten,

Sie gaben der Seele einen Richterstuhl als Thron,

Als Königreich eine kleine Welt von Regeln und Linien:

Die Weisheit der Zeitalter, zu Kommentaren verkümmert,

Schrumpfte strukturiert in einen Abklatsch-Sinnspruch.

Die allmächtige Freiheit des Geistes war hier nicht:

Ein Schulmeister-Mental nahm den weiten Raum des Lebens ein,

Doch wollte in kahlen und ärmlichen Räumen leben,

Abgeschirmt vom zu weiten gefährlichen Universum,

Fürchtend, seinen Wesenskern in dem Unendlichen zu verlieren.

Sogar der ausholende Schwung der Idee war

Zu einem System gestutzt, an fixe Säulen des Denkens gekettet

Oder an den festen Boden der Materie genietet:

Oder aber die Seele verlor sich in ihren eigenen Höhen:

Gehorchend dem erlauchten Gesetz des Ideals,

Errichtete das Denken einen Thron auf substanzloser Luft,

Verachtend der Erde fade Belanglosigkeit:

Es schloss Realität aus, um in ihren Träumen zu leben.

Oder alles trat in ein systematisiertes Universum ein:

Das Reich des Lebens war ein verwalteter Kontinent,

Seine Gedanken eine Armee, in Zucht und Ordnung;

Uniformiert hielten sie die Logik ihrer festgelegten Stellung

Auf den Befehl des gedrillten Zenturio-Mentals.

Oder jeder wahrte wie ein Stern seinen Platz

Oder marschierte durch festgelegte und konstellierte Himmel

Oder behielt seinen feudalen Rang unter seinesgleichen

In der unveränderlichen kosmischen Hierarchie des Himmels.

Oder wie eine wohlerzogene Jungfer mit züchtigen Augen

Nicht unverschleiert auf öffentlichen Wegen wandeln darf,

Muss sie sich in engen abgeschiedenen Gemächern bewegen,

Ihr Gefühl auf Klöster oder Gartenwege beschränkt.

Leben ward auf einen sicheren ebenen Weg verwiesen,

Der nicht wagte, große und schwere Höhen zu versuchen

Oder aufzusteigen, um Nachbar eines einsamen Sternes zu sein,

Oder am Gefahrenrand des Abgrundes entlangzugehen,

Das gefährliche Lachen schaumgekräuselter Brandung herauszufordern,

Des Abenteurers Lyriker, der Gefahr Dilettant,

Oder in ihre Kammer einen flammenden Gott herbeizurufen,

Oder die Bindungen der Welt zu lösen und, wo keine Grenzen sind,

Mit der Inbrunst des Herzens den Anbetungswürdigen zu treffen

Oder die Welt mit dem inneren Feuer zu entflammen.

Ein geläutertes Beiwort in der Prosa des Lebens,

So darf sie nur dem ihr erlaubten Raum Farbe verleihen,

Weder aus dem Kämmerlein der Idee ausbrechen

Noch in zu hohe oder weite Rhythmen eindringen.

Auch wenn es sich empor in ideale Luft erhob,

Verlor sich der Flug des Denkens nie im Himmelblau:

Es malte an die Himmel ein Blumenmuster

Von züchtiger Schönheit und harmonischem Licht.

Ein maßvoll wachsamer Geist regierte das Leben:

Seine Taten waren Werkzeuge des abwägenden Denkens,

Zu kalt, um Feuer zu fangen und die Welt zu entflammen,

Oder die diplomatischen Züge der umsichtigen Vernunft,

Die die Mittel mit dem Blick auf ein vorgestelltes Ziel hin prüft,

Oder höchstens den Plan irgendeines ruhigen Willens,

Oder eine Strategie irgendeines Oberkommandos im Innern,

Um die geheimen Schätze der Götter zu erobern

Oder für einen vermummten König eine glorreiche Welt zu gewinnen,

Nicht einen Widerschein von dem spontanen Selbst,

Ein Hinweis auf das Wesen und seine Stimmungen,

Ein Flügelschlag des bewussten Geistes, ein Sakrament

Der Kommunion des Lebens mit dem stillen Höchsten

Oder sein schlichtes Wandeln auf der Straße des Ewigen.

Oder es wurde für den Leib irgend erhabener Idee

Mit viel zu dicht gesetzten Steinen ein Haus gebaut;

Handeln und Denken zementierten sich zur Wand

Aus kleinen Idealen, schränkend die Seele ein.

Sogar Meditation saß andachtsvoll auf einem schmalen Sitz;

Und Anbetung ward einem exklusiven Gott zuteil,

Dem Allheitlichen zollte man Verehrung in einem Gotteshaus,

Deren Tore gegen das All verriegelt waren;

Oder vor dem körperlosen Unpersönlichen kniete

Ein mentaler Geist, verschlossen für der Liebe Ruf und Feuer:

Eine rationale Religion verdorrte das Herz.

Er plante ein glattes Lebensgefüge mit der Ethik Richtlinie

Oder brachte ein kaltes und flammenloses Opfer dar.

Das heilige Buch lag auf seinem geweihten Pult,

Gewickelt in Seidenbänder der Interpretation:

Ein Credo versiegelte seinen spirituellen Sinn.

Hier war ein ruhiges Land von festem mentalen Geist,

Hier war Leben nicht mehr alles, noch der Leidenschaft Stimme;

In Stille war versunken des Sinnes Schrei.

Weder Seele noch Geist war hier, sondern nur das Mental;

Mental erhob den Anspruch Geist und Seele zu sein.

Der Geist sah sich selbst als Form des Mentals,

Verlor sich in der Herrlichkeit des Denkens,

Ein Licht, das die Sonne unsichtbar macht.

In einen fertig eingerichteten Raum gelangte sie,

Wo alles Stillstand war und alle Dinge ihren Platz behielten.

Ein jedes fand, was es suchte, und kannte sein Ziel.

Alles hatte einen endgültig bleibenden Stand.

Dort trat einer vor, der trug Autorität

Auf einer gewichtigen Miene und einen Stab in der Hand;

Befehlsgewalt war eingefleischt in Geste und Ton;

Der Tradition versteinerte Weisheit prägte sein Wort,

Seine Sätze klangen wie ein Orakel.

„Reisende oder Pilgerin der inneren Welt,

Du hast das Glück, unsere strahlende Luft zu erreichen,

Die von des Denkens höchster Endgültigkeit flammt.

O Strebende nach der vollkommenen Lebensart,

Hier finde sie, ruh‘ aus vom Suchen und leb‘ in Frieden.

Bei uns ist die kosmische Gewissheit zu Hause.

Hier ist die Wahrheit, Gottes Harmonie ist hier.

Trage deinen Namen in das Buch der Elite ein,

Da zugelassen durch die Billigung der Wenigen,

Übernimm deinen Platz im Wissen, deinen Posten im Mental,

Im Amt des Lebens löse deinen Ordnungsschein

Und preise dein Geschick, das zu einer von uns dich macht.

Alles hier, verzeichnet und verknüpft, ist wissbar mentalem Geist,

Alles schematisiert durch Gesetz, was Gott dem Leben zugesteht.

Dies ist das Ende und ein Jenseits gibt es nicht.

Hier ist die Sicherheit des äußersten Walls,

Hier ist die Klarheit des Schwertes des Lichtes,

Hier ist der Sieg einer einzigen Wahrheit,

Hier brennt der Diamant von makelloser Seligkeit.

Lebe als Liebling von Himmel und Natur .“

Doch dem allzu zufriedenen und selbstsicheren Weisen

Erwiderte Savitri und warf in seine Welt

Des Sehens tiefe Befreiung, des Herzens fragende innere Stimme:

Denn hier sprach nicht das Herz, nur klares Tageslicht

Des Verstandes herrschte hier, beschränkend, kalt, präzise.

„Glücklich sind jene, die in diesem Chaos der Dinge,

Diesem Kommen und Gehen der Füße der Zeit,

Die einzige Wahrheit finden können, das ewige Gesetz:

Unbehelligt leben sie von Hoffnung und Zweifel und Furcht.

Glücklich sind Menschen, die in fester Überzeugung verankert sind

In dieser ungewissen und vieldeutigen Welt,

Oder die in des Herzens reichen Boden

Ein winzig Körnchen spiritueller Gewissheit gepflanzt haben.

Am glücklichsten, wer im Glauben steht wie auf einem Felsen.

Ich aber muss weiter, dies abgeschlossene Suchen verlassen,

Der Wahrheit abgerundetes Ergebnis, fest und unwandelbar,

Und dies harmonische Gebäude der Welttatsache,

Dies geordnete Wissen von Scheinbarem.

Hier kann ich nicht bleiben, denn ich suche meine Seele.“

Antwort gab keiner in dieser hellen zufriedenen Welt,

Oder man wandte sich um auf gewohntem Weg,

Erstaunt, in dieser Luft ein Fragen zu hören,

Gedanken, die noch zum Jenseits gerichtet waren.

Doch einige murmelten, Vorübergehende aus verwandten Sphären:

Nach seinem Credo maß jeder den Gedanken, den sie sprach.

„Wer ist denn diese, die nicht weiß, dass die Seele

Bloß eine Drüse oder ein Sekretionsfehler ist,

Der die gesunde Regierung des Mentals in Unruhe versetzt,

Die Funktion des Gehirns durcheinander bringt,

Oder eine Sehnsucht, die im sterblichen Hause der Natur wohnt,

Oder Traum, zugeflüstert in des Menschen Grotte des hohlen Denkens,

Der seine kurze unglückliche Frist verlängern möchte

Oder am Leben hängt in einem Meer von Tod?“

Doch andere: „Nein, es ist ihr Geist, nach dem sie sucht.

Ein prächtiger Schatten von Gottes Namen,

Ein formloser Schimmer vom Reich des Ideals,

Ist der Geist das Heilige Gespenst des Mentals;

Doch niemand hat seine Glieder berührt oder sein Antlitz gesehen.

Jede Seele ist der gekreuzigte Sohn des großen Vaters,

Das Mental ist der Seele einziger Elternteil, ihr bewusster Urheber,

Der Boden, auf dem ein rasch vergehendes Lichtlein bebt,

Mental, einziger Schöpfer der Erscheinungswelt.

Alles hier ist Teil unseres eigenen Selbstes;

Unser Mental hat die Welt erschaffen, in der wir leben.“

Ein anderer mit mystischen und unzufriedenen Augen,

Der seinen erschlagenen Glauben liebte und dessen Tod betrauerte:

„Gibt es da noch jemanden, der ein Jenseits sucht?

Ist der Pfad noch zu finden, das Tor zu öffnen?“

So schritt sie weiter durch ihr stilles Selbst.

Sie kam zu einer belebten Straße, voll von einer begeisterten Schar,

Die strahlend, feuerfüßig und sonnenlichtäugig dahineilten,

Drängend, den mysteriösen Wall der Welt zu erreichen,

Und durch verdeckte Pforten in das äußere Mental zu gelangen,

Wohin weder das Licht noch die mystische Stimme kommt,

Boten aus unseren subliminalen Größen,

Gäste aus der Höhle der geheimen Seele.

In dämmrige spirituelle Schläfrigkeit brechen sie ein

Oder streuen weite Wunder auf unser waches Selbst,

Ideen, die uns mit ihrem strahlenden Schritte heimsuchen,

Träume, die Hinweise auf die ungeborene Wirklichkeit sind,

Seltsame Göttinnen mit tiefliegenden magischen Augen,

Starke windhaarige Götter, die die Harfen der Hoffnung tragen,

Große mondfarbene Visionen, die durch goldne Luft gleiten,

Der Aspiration Sonnentraum-Haupt und sterngeformte Glieder,

Emotionen, die gewöhnliche Herzen erhaben machen.

Und Savitri, sich mischend unter diese glorreiche Schar,

Sich sehnend nach dem spirituellen Lichte, das sie trugen,

Wollte eilen wie sie, um Gottes Welt zu retten;

Doch zügelte sie diese hohe Leidenschaft in ihrem Herzen;

Sie wusste, dass sie zuerst ihre Seele zu entdecken hatte.

Nur wer sich selbst rettet, kann auch andere retten.

Sie traf des Lebens rätselnde Wahrheit umgekehrt:

Jene, das Licht zu leidenden Menschen tragend,

Eilten mit raschen Füßen zur äußeren Welt;

Sie hielt zum ewigen Quell die Augen gewandt.

Ihre Hände dieser Schar entgegenstreckend, rief sie:

„O glückliche Gemeinschaft lichter Götter,

Offenbart mir, die ihr wisst, den Weg, den ich beschreiten muss, –

Denn dies helle Gebiet ist gewiss eure Heimat, –

Damit ich den Geburtsort des okkulten Feuers finde

Und den tiefen Sitz meiner geheimen Seele.“

Einer gab Antwort und wies gen dunkles Schweigen

An einem weit entlegenen äußersten Punkt von Schlaf

In einem fernen Hintergrund der inneren Welt.

„O Savitri, wir kommen von deiner verborgenen Seele.

Wir sind die Boten, die okkulten Götter,

Die dem tristen und schweren unwissenden Leben der Menschen

Zu Schönheit verhelfen, zum Wunder der Dinge erwecken,

Sie mit Glorie und Göttlichkeit berühren;

Wir entfachen im Bösen die todlose Flamme des Guten

Und halten auf unwissenden Straßen die Fackel des Wissens hoch;

Wir sind dein Wille und der Wille aller Menschen zum Licht.

O menschliches Ebenbild und Verkleidung Gottes,

Die du nach der Gottheit suchst, die du versteckt hältst,

Und nach der Wahrheit lebst, die noch nicht du kennst,

Folge der gewundenen Straße der Welt bis zu ihrem Quell.

Dort in dem Schweigen, das nur wenige je erreichten,

Wirst du das Feuer brennen sehen auf dem bloßen Steine

Und die tiefe Höhle deiner geheimen Seele.“

Dann folgte Savitri der großen gewundenen Straße

Und kam dorthin, wo sie sich zu einem schmalen Pfad verengte,

Betreten nur von wenigen wunden Pilgerfüßen.

Den unbekannten Tiefen enttauchten einige lichte Gestalten

Und sahen sie mit ruhigen unsterblichen Augen an.

Kein Laut durchbrach das andächtige Schweigen;

Zu spüren war die stille Nähe der Seele.

Ende des dritten Cantos

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