Zehntes Buch

Das Buch vom doppelten Zwielicht

Vierter Canto

Das Traum-Zwielicht des Irdisch-Wirklichen

Es kam ein Hang, der langsam nach unten sank;

Er glitt einem stolprig grauen Abstieg zu.

Das mattherzig Wunderwerk des Ideals war verloren;

Sein drängend Wunder hell zarter Träume

Und vager halbumrissener Erhabenheiten lagen hinter ihr:

Denken fiel auf tiefere Stufen; hart und angespannt

Verlangte es nach einer groben Wirklichkeit.

Das Zwielicht schwebte noch immer, aber änderte seine Töne

Und umhüllte schwer einen weniger reizvollen Traum;

Es legte sich in müden Schwaden auf die Luft;

Seine Symbolfarben stimmten zu matteren Rottönen

Und schienen beinah ein trüber Tagesdunst.

Eine Anspannung, stramm und schrecklich, bedrängte ihr Herz;

Bleiern ward ihr Sinn von einer gefährlichen Last,

Und traurigere, stärkere Klänge waren in ihren Ohren,

Und durch harsche Brechungen der züngelnden Grelle

Erhaschte ihre Schau ein Drängen treibender Ebenen

Und wolkenverhangener Berge und weiter gelbbrauner Ströme,

Und Städte stiegen mit Minaretten und Türmen

Auf ein nutzlos unveränderliches Himmelsgewölbe zu:

Lange Kaimauern, Ufertreppen und Häfen voll mit weißen Segeln

Fingen eine Weile ihren Blick und schwanden dann.

Dazwischen quälten sich mühselig viele Menschen

In ständig wechselnd unbeständigen Gruppen,

Ein verwischter Film von erhellten schattenhaften Formen,

Eingehüllt in den grauen Mantel eines Traumes.

Bedeutung im zähen Lebensfluss wähnend,

Trauten sie der ungewissen Umgebung

Und warteten, auf das Tod den Schauplatz ihres Geistes wandle.

Ein barbarisches Lärmen von Arbeit und ein Stampfen

Von gepanzertem Leben und das monotone Brummen

Von Gedanken und Taten, die stets dieselben waren,

Als bedränge das dumpfe unaufhörliche Dröhnen

Einer großen rohen Maschine ihre Seele, –

Ein grau verdrießlich Rumoren gleich einem Gespenst

Von laut unruhigem Meer, das stöhnt und klagt.

Eine gewaltige unmenschliche zyklopische Stimme,

Ein gen Himmel sich türmender Gesang der Babelbauer,

Ein Hämmern von Maschinen und das Klirren von Werkzeugen

Brachten den tiefen Unterton von der Arbeit Schmerz.

Wie wenn blasse Blitze einen gequälten Himmel zerreißen,

Flackerten hoch oben Reihen von Wolkenrändern,

Jagend wie Rauch, geblasen aus einem roten Schlot,

Die erzwungenen Schöpfungen eines unwissenden Mentals:

Dahintreibend sah sie bemalten Fetzen gleich

Phantome menschlichen Denkens und vereitelter Hoffnungen,

Die Formen der Natur und die Künste des Menschen,

Philosophien und Disziplinen und Gesetze,

Und den toten Geist alter Gesellschaften,

Konstruktionen des Titanen und des Wurms.

Wie verlorene Überreste eines vergessenen Lichtes

Flohen vor ihrem Mental mit hängenden Flügeln

Verdunkelte Enthüllungen und erlösende Worte,

Entleert von ihrer Mission und ihrer Kraft zu retten,

Die Botschaften der Evangeliengötter,

Stimmen von Propheten, Schriften schwindender Glaubensbekenntnisse.

Vorbei flog alles, was zu seiner Stunde für ewig erklärt:

Ideale, Systeme, Wissenschaften, Dichtungen, Künste

Gingen unermüdlich unter und tauchten wieder auf,

Rastlos gesucht von irgend schöpferischer Macht;

Doch Träume waren es, schweifend durch eine leere Weite.

Asketische Stimmen einsamer Seher riefen

Auf Berggipfeln oder an Flussufern

Oder aus dem verlassenen Herzen der Waldlichtungen,

Suchend Himmels Ruhe oder des Geistes weltlosen Frieden,

Oder in Körpern, regungslos wie Statuen, erstarrt

In tranceartigen Stillständen ihres schlaflosen Denkens,

Saßen schlafende Seelen, und auch dies war ein Traum.

Was die Vergangenheit geschaffen und zerschlagen hat,

Ihre verlorenen vergessenen Formen von einst, war dort,

Und was die Gegenwart als neu enthüllt liebt,

Und was die Zukunft erhofft, war alles bereits gescheitert,

Erfasst und vertan in vergeblichen Bemühungen,

Fruchtlos wiederholt von Zeitalter zu Zeitalter.

Unermüdlich kehrte alles wieder und beharrte

Wegen der Freude an den Qualen des Trachtens

Und der Freude am Mühen und Gewinnen und Verlieren

Und der Freude am Erschaffen und Erhalten und der Freude am Töten.

Die rollenden Zyklen gingen und kamen wieder,

Brachten die gleichen Mühen und das gleiche unfruchtbare Ende,

Formen immer neu und immer alt, die langen

Entsetzlichen Umwälzungen der Welt.

Noch einmal erhob sich die große zerstörende Stimme:

Durch das fruchtlose Mühen der Welten

Verfolgte seiner gewaltigen Verneinung allvernichtende Macht

Den unwissenden Marsch der schmerzbeladenen Zeit.

„Sieh die Figuren dieses Symbolreiches,

Das mit soliden Konturen schöpferischen Traumes

Die großen konkreten Taten der Erde inspiriert.

In dieser Bewegungsparabel des menschlichen Lebens

Erkennst du schon das Ende, das die Natur

Der Sünde des Seins und dem Irrtum in Dingen bringt

Und der Begierde, welche zu leben zwingt,

Und des Menschen unheilbare Krankheit des Hoffens.

In der Hierarchie einer unveränderlichen Ordnung,

Wo Natur sich gleich bleibt, kann der Mensch sich nicht ändern:

Stets gehorcht er ihrem festen Mutationsgesetz;

In einer neuen Version ihrer alten Erzählung

Dreht die Menschenart in ewigrollenden Zyklen sich.

Sein Mental ist in kreisenden Grenzen eingepfercht:

Denn Mental ist der Mensch, über Denken kann er nicht hinaus.

Könnt‘ er seine Grenzen verlassen, wäre er sicher:

Er sieht seine größeren Himmel, doch kann sie nicht ersteigen;

Er sinkt, sogar beflügelt, zu seinem heimischen Grund.

Er ist ein Gefangener im Netze seines Mentals

Und schlägt mit Seelenflügeln gegen die Mauern des Lebens.

Vergeblich erhebt sein Herz ein sehnend Gebet,

Bevölkernd mit strahlenden Göttern das formlose Leer;

Dann kehrt er sich enttäuscht dieser Leere zu

Und bittet um Erlösung in ihrem glücklichen Nichts,

Dem stillen Nirvana seines Traumes vom Selbst:

Das Wort vergeht im Schweigen, im Nichts der Name.

Gesondert inmitten der sterblichen Scharen,

Ruft er die unmitteilsame Gottheit an

Seiner einsamen Seele Liebhaber zu sein

Oder wirft seinen Geist in ihre leere Umarmung hinein.

Oder er findet sein Abbild in dem unparteiischen All;

Dem Unbewegten leiht seinen eigenen Willen er,

Dem Ewigen schreibt Zorn und Liebe er zu

Und schmückt mit tausend Namen den Unbeschreibbaren.

Hoffe nicht, Gott in sein Leben herabzurufen.

Wie bringst du den Immerwährenden hierher?

Es gibt kein Heim für ihn in hastender Zeit.

Vergeblich suchst du ein Ziel in der Welt der Materie;

Es gibt kein Ziel dort, nur einen Willen zu sein.

Durch die Natur gebunden wandeln alle, immer sich gleich.

Schau diese Formen, die kurz verweilen und gehen,

Diese Leben, die sehnen und ringen und dann nicht mehr sind,

Diese Strukturen, die keine bleibende Wahrheit haben,

Die Erlösungslehren, die sich selber nicht erlösen können

Sondern im Würgegriff der Jahre untergehen,

Von des Menschen Denken verworfen, Lügen gestraft von der Zeit,

Philosophien, die alle Probleme bloßgelegt

Doch nichts je gelöst haben seit die Erde begann,

Und Wissenschaften, allgewaltig vergebens,

Die den Menschen lehren, woraus die Sonnen bestehen,

Geformtes umzuformen für äußeren Zweck,

Durch den Himmel zu schweben und unter dem Meer dahinzugleiten,

Aber nicht lehren, was sie sind und warum sie kamen;

Diese Staatswesen, Bauwerke des menschlichen Gehirns,

Die mit Steinen von Gut und Böse des Menschen Geist einmauern,

Dann, rissig schon, Palast und Gefängnis zugleich,

Verfallen sie während sie noch herrschen, bröckelnd vor ihrem Sturz;

Diese Umwälzungen, Dämon oder trunkener Gott,

Plagen den wunden Körper der Menschheit

Nur um in neuen Farben ein altes Gesicht zu malen;

Diese Kriege, Blutbad im Triumph, Zerstörung im Wahnsinn,

Das Werk von Jahrhunderten schwindend in einer Stunde,

Das Blut des Besiegten und die Krone des Siegers,

Wofür die Nachgeborenen mit ihrem Schmerz zahlen müssen,

Des Helden göttlich Antlitz auf Satyrs Gliedern,

Des Dämons Größe mit der des Halbgottes verquickt,

Der Ruhm und die Bestialität und die Schande;

Wozu das alles, die Arbeit und der Lärm,

Die vergänglichen Freuden, das zeitlose Meer der Tränen,

Die Sehnsucht und die Hoffnung und der Schrei,

Der Kampf und der Sieg und der Fall,

Die ziellose Reise, die niemals innehalten kann,

Das wache Mühen, der unzusammenhängende Schlaf,

Gesang, Geschreie und Geweine, Weisheit und Geschwätz,

Das Lachen der Menschen, die Ironie der Götter?

Wohin führt der Marsch, wohin die Pilgerreise?

Wer hat die Landkarte oder plante die Strecken?

Oder aber die Welt geht selbstbewegt ihren eigenen Weg,

Oder nichts ist da als nur ein Mental, das träumt:

Die Welt ist ein Mythos, der zufällig wirklich wurde,

Eine Legende, sich selbst erzählt von bewusstem Mental,

Eingebildet und gespielt auf dem Boden einer vorgegaukelten Materie,

Auf dem sie steht in einer substanzlosen Weite.

Das Mental ist Autor, Zuschauer, Schauspieler, Bühne:

Nur das Mental ist, und was es denkt, wird gesehen.

Wenn das Mental alles ist, gib die Hoffnung auf Seligkeit auf;

Wenn das Mental alles ist, gib die Hoffnung auf Wahrheit auf.

Denn niemals kann das Mental den Körper der Wahrheit berühren

Und niemals kann das Mental die Seele Gottes sehen;

Es ergreift nur seinen Schatten, hört nicht sein Lachen,

Wenn es sich von ihm abkehrt zum eitlen Schein der Dinge hin.

Das Mental ist ein Stoff, gewebt aus Licht und Schatten,

Wo Recht und Unrecht ihre Teile miteinander verwoben haben;

Oder das Mental ist eine Zweckehe der Natur

Zwischen Wahrheit und Falschheit, zwischen Freude und Schmerz:

Dies streitende Paar vermag kein Gericht zu scheiden.

Jeder Gedanke ist eine Goldmünze von glänzender Legierung

Und Irrtum und Wahrheit sind ihre Vorder- und Rückseite:

Dies ist die kaiserliche Prägung des Gehirns

Und von solcher Art ist seine gesamte Währung.

Denk nicht auf Erden die lebende Wahrheit zu pflanzen

Oder die Welt der Materie zur Heimstatt Gottes zu machen;

Wahrheit kommt nicht dorthin, sondern nur der Gedanke an Wahrheit,

Nicht Gott ist da, sondern nur der Name Gottes.

Gibt es ein Selbst, so ist es körperlos und ungeboren;

Niemand ist es und es wird von niemandem besessen.

Worauf willst du dann deine glückliche Welt aufbauen?

Wirf dein Leben und Mental von dir, dann bist du Selbst,

Eine alles sehende Allgegenwart, rein, allein.

Gibt es einen Gott, so kümmert ihn die Welt nicht;

Auf alles schaut er mit ruhig gleichgültigem Blick,

Verdammt hat er alle Herzen zu Leid und Begier,

Gebunden hat er alles Leben mit seinen unerbittlichen Gesetzen;

Er antwortet nicht der unwissenden Stimme des Gebetes.

Ewig, während die Zeitalter unten sich mühen,

Unbewegt, ungerührt von dem, was er geschaffen hat,

Sieht er als Kleinigkeiten zwischen den Sternen

Des Tieres Todesqual und des Menschen Los:

Unsagbar weise, ragt über dein Denken er;

Seine einsame Freude braucht deine Liebe nicht.

Seine Wahrheit kann nicht in menschlichem Denken weilen:

Wenn Wahrheit du begehrst, mach still dein Mental

Für immer, vernichtet vom stummen ungesehenen Licht.

Unsterbliche Seligkeit lebt nicht in menschlicher Luft:

Wie soll die mächtige Mutter ihre ruhige Wonne

In dieser engen zerbrechlichen Vase wohlauf bewahren,

Oder ihre süße ungebrochene Ekstase

In Herzen heimisch machen, die irdischer Kummer bedrängen kann,

Und in Körpern, die sorgloser Tod beliebig erschlagen kann?

Träume nicht die Welt zu wandeln, die Gott geplant hat,

Strebe nicht zu ändern sein ewiges Gesetz.

Wenn es Himmel gibt, deren Pforten dem Leid verschlossen sind,

Dann suche dort die Freude, die du auf Erden nicht finden konntest;

Oder hoch in der unvergänglichen Hemisphäre,

Wo Licht heimisch und Wonne König ist

Und Geist der todlose Grund der Dinge ist,

Dort wähle deinen hohen Stand, Kind der Ewigkeit.

Wenn du Geist bist und die Natur dein Gewand,

Wirf ab dein Kleid und sei dein nacktes Selbst

In seiner todlosen Wahrheit unwandelbar,

Im stummen Alleinigen auf ewig allein.

Sodann wende dich Gott zu, für ihn lass alles zurück;

Vergessend Liebe, vergessend Satyavan,

Annulliere dich selbst in seinem unbewegten Frieden.

O Seele, ertrinke in seinem stillen Seligsein.

Denn du musst dir selbst sterben, um Gottes Höhe zu erreichen:

Ich, der Tod, bin das Tor zur Unsterblichkeit.“

Doch Savitri antwortete dem sophistischen Gott:

„Willst wieder mit Licht du blenden der Wahrheit Augen,

Wissen zum Schnapper an Unwissens Falle machen

Und das Wort zum Wurfspeer, der meine lebendige Seele tötet?

O König, biete deine Wohltaten müden Geistern an

Und Herzen, die nicht die Wunden der Zeit ertrugen,

Lass jene, die an Körper und Mental gebunden waren,

Diese Fesseln durchreißen und in die weiße Stille entfliehen,

Schreiend nach einer Zuflucht vor dem Spiele Gottes.

Gewiss, deine Wohltaten sind groß, bist du doch Er!

Doch wie soll in endlosem Frieden Ruhe suchen ich,

Die der mächtigen Mutter stürmische Kraft behaust,

Ihre Schau, gewandt die rätselhafte Welt zu lesen,

Ihren Willen, gehärtet in der Glut der Weisheit Sonne

Und dem flammenden Schweigen ihres Herzens der Liebe?

Die Welt ist ein spirituelles Paradoxon,

Erfunden durch ein Bedürfnis in dem Ungesehenen,

Für den Sinn des Geschöpfes eine armselige Übersetzung

Von Dem, was auf ewig Idee und Sprache übersteigt,

Ein Symbol für Das, was niemals versinnbildlicht werden kann,

Eine Sprache, falsch betont, falsch buchstabiert, doch wahr.

Ihre Mächte sind von den ewigen Höhen gekommen

Und in den nichtbewussten dunklen Abgrund getaucht

Und entstiegen ihm, um ihr wunderbares Werk zu tun.

Die Seele ist ein Abbild des Ungeoffenbarten,

Das Mental ringt, das Undenkbare zu denken,

Das Leben, dem Unsterblichen Geburt zu verleihen,

Der Körper, ein Schrein für den Unbegrenzbaren zu sein.

Die Welt ist nicht getrennt von Wahrheit und Gott.

Vergeblich hast du die dunkle unüberbrückbare Kluft gegraben,

Vergeblich hast du den blinden und torlosen Wall gebaut:

Des Menschen Seele geht durch dich hindurch zum Paradiese,

Des Himmels Sonne bahnt sich ihren Weg durch Tod und Nacht;

Ihr Licht ist zu sehen am Rande unseres Seins.

Mein Mental ist eine Fackel, entfacht von der ewigen Sonne,

Mein Leben ist ein Atemzug des unsterblichen Gastes,

Mein sterblicher Körper ist das Haus des Ewigen.

Die Fackel wird bereits zum todlosen Strahl,

Das Leben ist bereits des Unsterblichen Kraft,

Das Haus wird Teil des Hausherrn und eins mit ihm.

Sagst du, Wahrheit könne nie das menschliche Mental erleuchten

Und Seligkeit niemals in das Herz des Sterblichen eindringen

Oder Gott nie zur Welt herabsteigen, die er schuf?

Wenn in der sinnlosen Leere Schöpfung erstand,

Wenn von einer körperlosen Kraft Materie geboren ward,

Wenn Leben im unbewussten Baum aufsteigen konnte,

Seine grüne Wonne in smaragdgrünen Blätter sprießt

Und sein Lachen der Schönheit in der Blume blüht,

Wenn in Gewebe, Nerv und Zelle der Sinn erwachen konnte

Und Denken die graue Substanz des Gehirns ergriff,

Und Seele aus ihrer Verborgenheit durch das Fleisch lugte,

Wie soll nicht das namenlose Licht auf Menschen überspringen

Und unbekannte Mächte aus dem Schlafe der Natur erstehen?

Schon jetzt steigen Anzeichen einer leuchtenden Wahrheit wie Sterne

In der mentalbemondeten Pracht der Unwissenheit auf;

Schon jetzt verspüren wir des todlosen Liebhabers Hauch:

Wenn die Kammertür auch nur ein wenig offensteht,

Was kann dann Gott daran hindern, sich hereinzustehlen,

Oder wer kann ihm verbieten, die schlafende Seele zu küssen?

Gott ist schon in der Nähe, die Wahrheit ist nah:

Weil der dunkle atheistische Körper ihn nicht kennt,

Muss da der Weise das Licht, der Seher seine Seele leugnen?

Mich binden weder Denken, Sinn noch Form;

Ich lebe in der Glorie des Unendlichen,

Ich bin dem Namenlosen und Unkennbaren nah,

Der Unbeschreibbare ist jetzt mein Hausgenosse.

Doch stehend am lichten Rande der Ewigkeit

Habe ich entdeckt, dass die Welt Er war;

Dem Geist bin ich mit Geist begegnet, dem Selbst mit Selbst,

Doch auch den Körper meines Gottes habe ich geliebt.

Ich habe ihn verfolgt in seiner irdischen Gestalt.

Eine einsame Freiheit kann da nicht befriedigen

Ein Herz, das eins geworden ist mit jedem Herz:

Ich bin eine Abgesandte der aufstrebenden Welt,

Meines Geistes Freiheit, die fordere ich für alle.“

Dann erklang von neuem ein tieferer Schrei des Todes.

Wie unter der Last eines unfruchtbaren Gesetzes

Vom eigenen verstockten sinnlosen Willen unterdrückt,

Verächtlich, überdrüssig und mitleidsvoll,

Tönte er nicht mehr unduldsam

Sondern glich der Lebenskraft Stimme, die ewig ringt

Auf ihren zahllosen Pfaden und nichts erreicht

Wegen Geburt und Wandel, ihren sterblichen Mächten,

Durch die sie währt, an Endpfosten festgelegt,

Den Wenden in einem weit kreisend ziellosen Rennen,

Das seinen Lauf nimmt und immer dasselbe bleibt.

Durch seinen langen Umgang mit Schicksal, Zufall und Zeit

Überzeugt von der Vergeblichkeit des Spiels, verloren oder gewonnen,

Zermalmt von des Unwissens und Zweifels Last,

Die durch Erkenntnis und Wachstum noch sich zu mehren scheint,

Erliegt der Erdgeist und er verzweifelt und schaut

Alt, müde und entmutigt auf sein Werk.

Aber war denn alles nichts oder vergeblich erlangt?

Etwas Großes ward vollbracht, etwas Licht, etwas Kraft

Befreit aus dem Griff des riesigen Nichtbewussten:

Er ist aufgetaucht aus der Nacht; er sieht seine Morgenröten

Auf ewig kreisen, wenn auch kein Morgen bleibt.

Diese Wandlung lag in der Gottheit weithallenden Stimme;

Seine Schreckensgestalt war verändert und ließ

Unser flüchtig Bemühen um Ewigkeit zu,

Doch warf große Zweifel, was sonst noch sein könnte,

Auf grandiose Andeutungen eines unmöglichen Tages.

Die große Stimme rief brandend Savitri zu:

„Weil du die Weisheit kennst, die sowohl den Schleier

Der Formen wie die Verachtung der Formen übersteigt,

Erhebe dich, befreit durch die sehenden Götter.

Wärst frei im Mental du geblieben von Lebens stürmischem Druck,

Hättest du ihnen gleich sein können, allwissend, still.

Doch das heftige und leidenschaftliche Herz verwehrt es.

Es ist der Sturmvogel einer anarchischen Macht,

Die die Welt aufheben würde und ihr entreißen

Die unentzifferbare Schriftrolle vom Schicksal,

Von Todes Herrschaft und Gesetz und vom Willen, den keiner kennt.

Stürmer zu Taten, Verletzer Gottes

Sind diese großen Geister, die zu viel Liebe haben,

Und solche, wie du Gebauten, denn du bist beides,

Sind in die engen Schranken des Lebens gekommen

Mit allzu weiten Naturen, der Zeit voraus.

Verehrer der Kraft, die nicht ihre Rückwirkung kennen,

Ihre gigantischen Willen zwingen die unruhigen Jahre.

Die Weisen sind ruhig; schweigsam steigen die großen Berge

Unaufhörlich zu ihrem unerreichten Himmelsgewölbe,

Fest verankert auf ihrem unveränderlichen Grund, ihre Häupter

Traumlos in des Himmels unwandelbarem Reich.

Auf ihren strebenden Gipfeln, erhaben und still,

Hebend die aufsteigende Seele halbwegs zum Himmel,

Stehen die mächtigen Mittler zufrieden da,

Um das Kreisen der Sterne anzuschauen:

Reglos bewegend mit der Macht der Erde,

Sehen sie die Zeitalter vorübergehen und bleiben gleich.

Die Weisen denken mit den Zyklen, sie hören den Schritt

Entlegener Dinge; geduldig, unbewegt halten sie

Ihre gefährliche Weisheit in ihren Tiefen zurück,

Damit nicht des Menschen schwache Tage ins Unbekannte sinken,

Wie von festgebundenem Leviathan ein Schiff gerissen wird

In den Abgrund seines gewaltigen Meeres.

Sieh, wie alles erzittert, wenn die Götter zu nahe kommen!

Alles ist in Bewegung, in Gefahr, verängstigt, zerrissen, aufgewühlt.

Die eilenden Äonen würden allzu rasch voranstolpern,

Würde Kraft vom Himmel die unvollkommene Erde überraschen

Und unverhülltes Wissen diese untauglichen Seelen erschlagen.

Die Gottheiten haben ihre fürchterliche Macht abgeschirmt:

Gott verbirgt sein Denken und scheint sogar zu irren.

Sei still und halt dich zurück in dieser bedächtig weisen Welt.

Mächtig bist du, erfüllt von der furchtbaren Göttin,

Zu der du im Morgengrauen in den dunklen Wäldern riefst.

Gebrauch nicht deine Stärke wie die wilden Titanenseelen!

Rühr nicht die festgelegten Linien an, die uralten Gesetze,

Respektiere die Ruhe der großen alteingerichteten Dinge.“

Doch Savitri gab dem riesigen Gott zur Antwort:

„Was ist die Ruhe, die du so rühmst, O Gesetz, O Tod?

Ist sie nicht der stumpfsinnig behäbige Trott

Monströser Energien, angekettet in einer starren Runde,

Seelenlos und steinäugig voller mechanischer Träume?

Der Seele Hoffen wäre eitel, gäbe es nur wandelloses Gesetz:

Immer zu Neuem und Unbekanntem drängen

Die eilenden Äonen und rechtfertigen so Gott.

Was wären die Zeitalter der Erde, würde die graue Schranke

Niemals brechen und Glorien nicht aufgehen,

Sprengend ihre dunkle Saat, während langsames Menschenleben

Hurtig auf plötzlich herrliche Pfade springt,

Durch göttliche Worte und menschliche Götter offenbart?

Dräng nicht fühlendem Mental und Herz

Die dumpfe Festigkeit auf, die Lebloses fesselt.

Die unbewusste Herrschaft ist für die Tierart gut,

Die zufrieden unter dem unabänderlichen Joche leben;

Der Mensch wendet sich einem edleren Gange zu, einem Meisterpfad.

Mit lebendigem Fuße zertrete ich dein Gesetz;

Denn in Freiheit mich zu erheben ward ich geboren.

Wenn mächtig ich bin, lass unverhüllt meine Kraft

Ebenbürtige Gefährtin der zeitlosen Mächte sein,

Ansonsten lass meine entmutigte Seele niedersinken

In den ursprünglichen Schlaf, der Gottheit nicht wert.

Ich fordere von der Zeit meines Willens Ewigkeit,

Gott von seinen Momenten.“ Tod entgegnete ihr:

„Warum sollte sich der edle und unsterbliche Wille

Zu den ärmlichen Werken der vergänglichen Erde herablassen,

Vergessend Freiheit und den Pfad des Ewigen?

Ist das der hohe Nutzen von Kraft und Denken,

Mit den Banden von Tod und Zeit zu ringen

Und all die Mühe aufzubringen, die Götter erlangen könnte,

Und zu kämpfen und die Qual von Wunden zu ertragen,

Um die trivialen Freuden zu erhaschen, die Erde da verwahrt

In ihrer kleinen Schatztruhe vergänglicher Dinge?

Kind, bist du über die Götter hinweggestampft,

Um armselige Fetzen irdischen Lebens zu erbeuten

Für ihn, den du liebst, indem du die große Befreiung verwirkst,

Zurückhaltend von baldiger Himmelswonne

Seine Seele, die milde Gottheiten gerufen haben?

Sind deine Arme süßer als die Höfe Gottes?“

Sie antwortete: „Ich schreite geradeaus auf dem Pfade,

Den die starke Hand gehauen mir, die unsere Wege plante.

Ich laufe, wohin seine süße furchtbare Stimme befiehlt

Und ich werde durch die Zügel Gottes gelenkt.

Warum entwarf er seinen Plan mächtiger Welten so weit

Oder erfüllte Unendlichkeit mit seinem inbrünstigen Atem?

Oder wozu formte er meine sterbliche Gestalt

Und säte in mich seine hellen und stolzen Verlangen,

Wenn nicht zu vollbringen, in mir zu erblühen, zu lieben,

Meißelnd sein menschliches Ebenbild, reich geformt

An Gedanken und Räumen und goldnen Mächten?

Der ferne Himmel kann in seiner Ruhe auf unser Kommen warten.

Leicht war es für Gott, die Himmel zu erbauen.

Die Erde war sein schwieriges Werk, die Erde bot

Die Glorie des Problems und des Wettlaufs und des Ringens.

Dort sind die unheilvollen Masken, die schrecklichen Mächte;

Dort ist es Größe, die Götter zu erschaffen.

Ist nicht der Geist unsterblich und von allem entbunden

Von jeher, befreit von der Umklammerung der Zeit?

Warum kam er herab in den Raum des Sterblichen?

Einen Auftrag gab Gott seinem hohen Geist im Menschen

Und schrieb ein heimliches Dekret auf die Gipfelhöhen der Natur.

Freiheit ist dies mit ewig thronender Seele,

Weit in des Lebens Grenzen, stark in der Materie Verknotungen,

Bildend aus den Welten großen Tatenstoff,

Um feinsinnige Weisheit zu weben aus groben, verstreuten Fäden,

Und Liebe und Schönheit aus Krieg und Nacht,

Das wundervolle Wagnis, das göttliche Spiel.

Ist frei denn die Seele, die nur sich frei fühlt,

Wenn alles ihr entrissen ist, und die Banden nicht küssen kann,

Die der Liebhaber schlingt um die Glieder seiner Gespielin,

Die seine Tyrannei erwählt, erdrückt in seiner Umarmung?

Ihn besser mit ihrem grenzenlosen Herzen zu fassen,

Nimmt sie den einschränkenden Kreis seiner Arme an,

Beugt sie sich voller Seligkeit unter seine beherrschenden Hände,

Lacht in seinen reichen Zwängen, am freiesten, wenn am gebundensten.

Dies ist meine Antwort auf deine Verlockungen, O Tod.

Unverrückbar, des Todes Verneinung traf ihren Ruf:

„Wie machtvoll auch sei, wie auch immer dein geheimer Name

In heimlichen Konklaven der Götter laute,

Deines Herzens kurzlebige Leidenschaft vermag nicht zu brechen

Den ehernen Wall der feststehenden Dinge,

Mit dem die großen Götter ihr Lager im Raum umzäunen.

Wer du auch immer hinter deiner menschlichen Maske bist,

Sogar wenn du die Mutter der Welten bist

Und deinen Anspruch absteckst in den Reichen des Zufalls,

So ist das kosmische Gesetz doch größer als dein Wille.

Sogar Gott befolgt die Gesetze, die er schuf:

Das Gesetz bleibt bestehen und kann sich niemals ändern,

Die Person ist eine Blase auf dem Meer der Zeit.

Vorläuferin einer größeren Wahrheit, die da kommen wird,

Deine Seele Schöpferin ihres freieren Gesetzes,

Prahlst du mit einer Kraft dahinter, auf die sie sich stützt,

Mit einem Licht darüber, das einzig du gesehen hast,

Und forderst die ersten Früchte der Wahrheit Sieg.

Was aber ist Wahrheit und wer entdeckt ihre Form

Inmitten der fadenscheinigen Bilder des Sinnes,

Inmitten der wimmelnden Mutmaßungen des mentalen Geistes

Und der dunklen Zweideutigkeit einer Welt,

Die mit den Ungewissheiten des Denkens bevölkert ist?

Wo ist denn Wahrheit und wann ward ihr Schritt gehört

Inmitten des endlosen Lärms auf dem Markt der Zeit

Und welche ist ihre Stimme inmitten der tausend Schreie,

Die das lauschende Gehirn durchziehen und die Seele täuschen?

Oder ist die Wahrheit nichts als nur ein hoher Sternenname

Oder ein vages und prächtiges Wort, durch das des Menschen Denken

Gutheißt und heiligt die Wahl seiner Natur,

Des Herzens Wunsch, der Wissen als sein Gewand anlegt,

Die Lieblingsidee, erwählt unter den Auserwählten,

Denkens Günstling unter all den Kindern des Halblichtes,

Die hellstimmig auf den Spielplätzen des Mentals tummeln

Oder kindlich schlummernd dessen Schlafsäle füllt?

Hier hängen alle Dinge zwischen Gottes Ja und Nein,

Zwei Mächte, wirklich, aber eine für die andere nicht wahr,

Zwei Brudersterne in der Mondnacht des Mentals,

Die zu zwei entgegengesetzten Horizonten blicken,

Der weiße Kopf und schwarze Schwanz des mystischen Erpels,

Der rasche und der lahme Fuß, starker Flügel, gebrochener Flügel,

Stützend den Körper der unsicheren Welt,

Ein Drache am Himmelszelt, unwirklich und groß.

Zu gefährlich muss deine hohe stolze Wahrheit leben,

Verstrickt in die sterbliche Kleinheit der Materie.

In dieser Welt ist alles wahr, und doch ist alles falsch:

Ihre Gedanken laufen in einer ewigen Ziffer ab,

Ihre Taten schwellen an zur gerundeten Nullsumme der Zeit.

So ist der Mensch zugleich Tier und Gott,

Ein ungereimtes Rätsel aus Gottes Hand,

Unfähig innen der Gottheit Form zu befreien,

Ein Wesen, weniger als er selbst und doch auch mehr,

Das strebende Tier, der vereitelte Gott,

Dennoch weder Tier noch Gottheit sondern Mensch,

Aber Mensch, verhaftet der Art, über die der Erde Mühe trachtet hinaus,

Klimmend auf Gottes Treppen Höherem zu.

Objekte sind Schein und niemand kennt deren Wahrheit,

Ideen sind Mutmaßungen eines unwissenden Gottes.

Wahrheit hat kein Heim in der Erde vernunftwidrigen Brust:

Doch ohne Vernunft ist Leben ein Wirrwarr von Träumen,

Aber Vernunft schwebt über einem düsteren Abgrund

Und steht zu guter Letzt auf einer Planke des Zweifels.

Ewige Wahrheit lebt nicht bei sterblichen Menschen.

Falls sie in deinem sterblichen Herz aber wohnt,

So zeige mir den Leib der lebendigen Wahrheit

Oder zeichne mir den Umriss ihres Gesichtes,

Dass auch ich gehorchen und sie anzubeten vermag.

Dann will ich dir wiedergeben deinen Satyavan.

Doch hier gibt es nur Fakten und eisernes Gesetz.

Diese Wahrheit weiß ich, dass Satyavan tot ist,

Und auch deine Süße ihn nicht zurücklocken kann.

Keine magische Wahrheit kann die Toten zum Leben erwecken,

Keine Macht der Erde kann einst Geschehenes rückgängig machen,

Kein Glück des Herzens kann den Tod überdauern,

Keine Seligkeit kann das Vergangene zu neuem Leben verhelfen.

Nur Leben allein kann die stumme Öde trösten

Und die Leerheit der Zeit mit Denken füllen.

So lass deinen Toten, O Savitri, und lebe.“

Die Frau antwortete dem mächtigen Schatten,

Und wie sie sprach, verschwand Sterblichkeit;

In ihren Augen ward sichtbar ihr Göttin-Selbst,

Licht kam, ein Himmelstraum, in ihr Gesicht.

„O Tod, auch du bist Gott und doch nicht Er,

Sondern nur sein eigener schwarzer Schatten auf seinem Pfad

Wenn Nacht verlassend er den Weg nach oben einschlägt

Und deren anhaftende nichtbewusste Kraft mit sich schleppt.

Von unbewusstem Gott bist du das düstere Haupt,

Von seiner Unwissenheit bist du das verstockte Zeichen,

Von ihrem weiten finsteren Schoß das natürliche Kind,

Vor seiner Unsterblichkeit die unselige Schranke.

Alle Gegensätze sind Aspekte von Gottes Antlitz.

Die Vielen sind der unzählbare Eine,

Der Eine trägt die Vielzahl in seiner Brust;

Er ist der Unpersönliche, unkennbar, allein,

Er ist die eine unendliche Person, sehend seine Welt;

Das Schweigen trägt das große stumme Siegel des Ewigen,

Sein Licht inspiriert das ewige Wort;

Er ist die tiefe und todlose Stille des Unbewegten,

Seine weiße und zeichenlos leere Ruhe, die verneint,

Und ist doch das Schöpferselbst, der allmächtige Herr,

Und sieht seinen Willen durch Götterformen getan,

Durch das Begehren, das halbbewussten Menschen treibt,

Und durch die widerstrebende und nichtsehende Nacht.

Diese weiten göttlichen Extreme, diese gegensätzlichen Kräfte

Sind die rechte und linke Seite von Gottes Leib;

Das Dasein, ausbalanciert zwischen zwei mächtigen Armen,

Stellt den mentalen Geist vor ungelöste Abgründe des Denkens.

Finsternis unten, ein unermessliches Licht oben,

Im Lichte vereint, doch entzweit durch trennendes Mental

Stehen sie Auge in Auge gegenüber, gegensätzlich, unzertrennlich,

Zwei Gegenseiten, die für sein Weltvorhaben notwendig sind,

Zwei Pole, deren Ströme die immense Weltkraft wecken.

In der gewaltigen Heimlichkeit seines Selbstes,

Über der Welt sinnierend mit gleichwertigen Schwingen,

Ist er beides in einem, anfangslos, ohne Ende:

Übersteigend beides, geht er in das Absolute ein.

Sein Wesen ist ein Mysterium jenseits des Mentals,

Seine Wege verwirren sterbliche Unwissenheit;

Das Endliche, in seine kleinen Abschnitte eingehegt,

Staunt, traut der Verwegenheit Gottes nicht,

Der da wagt das unvorstellbare All zu sein

Und zu sehen und zu handeln wie ein Unendlicher.

Gegen menschliche Vernunft ist dies sein Verstoß,

Bekannt und doch immer unerkennbar zu sein,

Alles zu sein und doch das mystisch Ganze übersteigend,

Absolut, in einer relativen Zeitwelt zu wohnen,

Ewig und allwissend, Geburt zu erleiden,

Allmächtig, sich mit Zufall und Schicksal zu balgen,

Geist, und doch Materie und die Leere zu sein,

Unbegrenzbar, jenseits von Form oder Namen,

In einem Körper zu wohnen, einzig und zuhöchst,

Tier zu sein sowie menschlich und göttlich:

Ein stilles tiefes Meer, er lacht in rollenden Wogen;

Universal, er ist alle, – transzendent, keiner.

Für den rechtschaffenen Mensch ist dies sein kosmischer Frevel,

Allmächtig, jenseits von Gut und Böse zu weilen,

In einer ruchlosen Welt die Guten ihrem Schicksal überlassend,

Die Bösen auf dieser enormen Bühne herrschen lassend.

Alles scheint Widerspruch und Kampf und Zufall zu sein,

Ein zielloses Mühen mit kaum ersichtlichem Sinn,

Für Augen, die nur einen Teil sehen und das Ganze verfehlen;

Menschen erforschen das Äußere, die Tiefen verwehren ihnen die Suche:

Ein hybrides Mysterium fordert den Blick heraus,

Oder ein entmutigend erbärmlich Wunder.

Doch in des exakten Nichtbewussten schieren Dünkel,

In dem zufälligen Irrtum der Welt Unwissenheit,

Ist ein Plan, eine verborgene Intelligenz erkennbar.

Da liegt eine Absicht in jeglichem Straucheln und Fallen;

Der Natur sorglosestes Rekeln ist eine Pose,

Die einen Schritt nach vorne, ein tiefes Ergebnis vorbereitet.

Geniale Noten, eingefügt in eine an Motiven reiche Partitur,

So betonen diese Millionen Dissonanzen das harmonische Thema

Des gewaltigen Orchestertanzes der Evolution.

Eine höchste Wahrheit zwang die Welt zu sein;

Eingehüllt hat sie sich in Materie wie in ein Leichentuch,

Ein Tuch des Todes, ein Tuch der Unwissenheit.

Sie hieß die Sonnen durch schweigenden Raum zu brennen,

Flammenzeichen ihres unverstandenen Denkens

In eines weit brütenden Äthers formloser Muse:

Sie machte aus Wissen ein verschleiertes und ringendes Licht,

Aus Sein eine Substanz, betäubt, dicht und stumm,

Aus Seligkeit die Schönheit einer empfindungslosen Welt.

In Endlichem wohnt das bewusst Unendliche:

Involviert schläft es in der Materie hilfloser Trance,

Es lenkt die Welt von seiner schlafend besinnungslosen Leere aus;

Träumend entlässt es Mental und Herz und Seele,

Um verkrüppelt, gebunden, auf der harten Erde zu mühen;

Ein gebrochen Ganzes, wirkt es durch verstreute Punkte;

Seine schimmernden Scherben sind der Weisheit diamantene Gedanken,

Sein schattiger Widerschein unsere Unwissenheit.

Es beginnt mit zahllosen Strömen aus der dumpfen Masse,

Es bildet aus Gehirn und Nerven ein Wesen heran,

Ein empfindendes Geschöpf aus Freude und Schmerz.

Ein Bündel dunkler Gefühle, ein Tüpfelchen von Sinn

Überlebt antwortend den Schocks des Lebens eine Weile,

Und verlässt dann, erdrückt oder kraftlos, die tote Form,

Verlässt das riesige Universum, in dem es lebte,

Ein unbedeutender unbeachteter Gast.

Doch die Seele wächst verborgen in ihrem Hause;

Sie gibt dem Körper ihre Stärke und Herrlichkeit;

Sie folgt Zielen in einer unwissend ziellosen Welt,

Sie verleiht Bedeutung dem bedeutungslosen Leben der Erde.

Ein Halbgott-Tier, denkender Mensch kam;

Er wälzt sich im Schlamm, doch erhebt sich himmelwärts im Denken;

Er spielt und grübelt, lacht und weint und träumt,

Stellt seine kleinen Sehnsüchte zufrieden wie das Tier;

Er vertieft sich in das Buch des Lebens mit Augen des Schülers.

Raus aus diesem Gewirr von Verstand und Sinn,

Aus dem engen Horizont von endlichem Denken

Erwacht er schließlich im spirituellen Mental;

Eine hohe Freiheit beginnt und leuchtender Raum:

Er schaut flüchtig Ewigkeit, berührt das Unendliche,

Er trifft die Götter in großen und unerwarteten Stunden,

Er empfindet das Universum als sein größeres Selbst,

Macht Raum und Zeit zu seiner Gelegenheit,

Um die Höhen und Tiefen des Wesens im Licht zu einen,

In der Höhle des Herzens spricht er heimlich mit Gott.

Doch dies sind Berührungen und erlebte großartige Momente;

Bruchstücke höchster Wahrheit haben seine Seele erhellt,

Spiegelungen der Sonne in stillen Gewässern.

Wenige haben den letzten höchsten Anstieg gewagt

Und brechen oben durch Grenzen blendenden Lichtes

Und spüren um sich einen Hauch mächtigerer Luft,

Empfangen Botschaften eines weiteren Seins

Und baden in dessen immensen intuitiven Strahl.

Auf dem Gipfelmental sind strahlende Höhenlagen,

Preisgegeben dem Glanz der Unendlichkeit,

Außenbezirke und Güter des Hauses der Wahrheit,

Erhobene Besitztümer des Mentals und unbeschränkt.

Der Mensch kann dort auf Besuch sein, leben aber kann er dort nicht.

Ein kosmisches Denken breitet seine Weiten aus;

Seine kleinsten Teile sind Philosophien hier,

Lockend mit ihrer Tiefe, unermesslich reich,

Jede ein allwissendes System der Dinge darstellend.

Doch höher noch kann da klimmen das aufsteigende Licht;

Dort gibt es Weiten der Schau und ewige Sonnen,

Ozeane von unsterblicher Leuchtkraft,

Flammenberge, die mit ihren Gipfeln den Himmel erstürmen,

Verweilend dort, wird alles eine Flamme des Sehens;

Ein brennendes Haupt der Schau führt den mentalen Geist,

Denken zieht seinen langen Kometenschweif hinterher;

Das Herz glüht, ein Erleuchteter und Seher,

Und der Sinn wird zur Wesenseinheit entfacht.

Ein höchster Flug erhebt sich zu einem tiefsten Blick:

In einer weiten Öffnung des ihr heimischen Firmaments

Schweifen Blitze der Intuition in heller Meute dahin

Und jagen alle verborgenen Wahrheiten aus ihren Schlupfwinkeln,

Ihre feurige Schneide absoluten Schauens

Dringt in versperrte unbekannte Winkel des Selbstes,

Durchstöbert die Himmelsnischen des Gehirns,

Erhellt die okkulten Kammern des Herzens;

Ihr sperrspitziger Iktus der Entdeckung,

Leicht gedrückt an die Hülle des Namens, dem Schirm der Form,

Legt die geheime Seele von allem bloß, was ist.

Denken hat dort der Enthüllung sonnenhelle Augen;

Das Wort, eine mächtige und inspirierende Stimme,

Betritt der Wahrheit innerste Kammer der Verschwiegenheit

Und reißt den Schleier weg von Gott und Leben.

Dann breitet sich die letzte Weite des grenzenlos Endlichen aus,

Das kosmische Imperium des Obermentals,

Pufferstaat der Zeit an der Grenze zur Ewigkeit,

Allzu groß für die Erfahrung eines Menschen Seele:

Alles hier sammelt sich unter dem einen goldnen Himmel:

Die Mächte, die den Kosmos erbauen, richten sich ein

In seinem Hause der unendlichen Möglichkeiten;

Von dort baut sich jeder Gott die Welt seiner eigenen Art;

Ideen bilden eine Phalanx wie eine Gruppe von Sonnen

Und jede hat ein Heer von Strahlen aufgestellt.

Denken sammelt sich in Massen, wird mit einem Blick erfasst;

Alle Zeit ist ein einziger Körper, Raum ein einziger Blick:

Dort ist der Gottheit allumfassende Schau

Und dort sind die Grenzgebiete des unsterblichen Mentals:

Die Linie, die beide Hemisphären trennt und verbindet,

Umfriedet die Arbeit der Götter,

Schützend Ewigkeit von der Mühsal der Zeit.

In ihrem glorreichen Königreich ewigen Lichtes

Allherrscherin, von niemandem beherrscht, die höchste Wahrheit,

Allmächtig, allwissend und allein,

Führt in einem goldnen Land ihr unermessliches Haus;

In seinem Korridor vernimmt sie den Schritt, der da kommt

Aus dem Unmanifestierten, um nie mehr zurückzukehren

Bis das Unbekannte vom Menschen erkannt und gesehen ist.

Über der Ausdehnung und Lohe kosmischer Sicht,

Über dem Schweigen des wortlosen Denkens,

Formlose Schöpferin unsterblicher Formen,

Namenlos, versehen mit dem göttlichen Namen,

Transzendierend die Stunden der Zeit, transzendierend Zeitlosigkeit,

Da thront die Mächtige Mutter in klarer Ruhe

Und hält auf ihren Knien das ewige Kind,

Den Tag erwartend, an dem es zum Schicksal sprechen wird.

Dort ist das Bild der Hoffnung unserer Zukunft;

Dort ist die Sonne, deren alle Dunkelheit harrt,

Dort ist die unvergängliche Harmonie;

Die Widersprüche der Welt steigen auf zu ihr und sind eins:

Dort ist die Wahrheit, von der die Wahrheiten der Welt Splitter sind,

Das Licht, von dem die Unwissenheit der Welt der Schatten ist

Bis Wahrheit den von ihr geworfenen Schatten zurücknimmt,

Die Liebe, die unsere Herzen herniederrufen, um allen Streit zu heilen,

Die Seligkeit, nach der die hoffnungslosen Sorgen der Welt sich sehnen:

Von dorther kommt die Glorie, die manchmal auf Erden zu sehen ist,

Die Besuche der Gottheit bei der menschlichen Seele,

Die Schönheit und der Traum auf dem Antlitz der Natur.

Dort ruft die Vollkommenheit, geboren aus Ewigkeit,

Zu sich die Vollkommenheit, geboren in Zeit,

Die Wahrheit Gottes, die das menschliche Leben überrascht,

Das Bild Gottes, das endliche Formen überragt.

Dort in einer Welt immerwährenden Lichtes,

In den Reichen des unsterblichen Supramentals,

Wahrheit, die hier ihr Haupt im Mysterium verbirgt,

Ihr Rätsel, das Vernunft für unmöglich hält

Im starren Gefüge der materiellen Form,

Lebt bar von Mysterien, ihr Antlitz demaskiert

Und ist dort Natur und das allgemeine Gesetz der Dinge.

Dort in einem Körper aus spirituellem Stoff,

Dem Herdstein für das Feuer, das immer lebt,

Überträgt Handeln die Regungen der Seele,

Denken schreitet unfehlbar und absolut einher

Und Leben ist Ritus einer unaufhörlichen Anbetung,

Ein Opfer der Verzückung an den Einen.

Eine kosmische Vision, ein spiritueller Sinn

Fühlt das ganze Unendliche in endlicher Form untergebracht

Und nimmt durch eine bebende Ekstase von Licht

Das helle Antlitz des Körperlosen wahr,

Vermag in der Wahrheit eines Augenblicks, in des Augenblicks Seele,

Den Honigwein der Ewigkeit zu schlürfen.

Ein Geist, der niemand und unzählbar ist,

Der eine Akteur von seiner Welt, die mystisch unendliche Person,

Vervielfältigt seine Myriaden-Persönlichkeit,

Drückt all seinen Körpern den Stempel seiner Göttlichkeit auf

Und sitzt unsterblich und einzigartig in jeglichem.

Der Unbewegte steht hinter jeder alltäglichen Tat,

Ein Hintergrund für das Geschehen und den Schauplatz,

Die Schöpfung stützend mit seiner Macht und Ruhe

Und Wandlung mit dem todlosen Stand des Unwandelbaren.

Der Zeitlose schaut aus den reisenden Stunden;

Der Unsagbare legt ein Gewand von Sprache an,

Wo all seine Worte eingewoben sind wie magische Fäden,

Bewegend mit Schönem, inspirierend mit ihrem Glanz,

Und jeder Gedanke den ihm zugedachten Platz einnimmt,

Aufgezeichnet in der Erinnerung der Welt.

Die höchste Wahrheit, weit und unpersönlich,

Richtet fehlerlos die Stunde und den Umstand ein,

Ihre Substanz ein reines stets gleiches Gold,

Jedoch geformt in Gefäße für des Geistes Gebrauch

Wird ihr Gold zum Weinkrug und zur Vase.

Eine erhabene Epiphanie ist alles dort:

Der Allwundervolle macht aus jedem Ereignis ein Wunderwerk,

Der Allschöne ist ein Mirakel in jeder Gestalt;

Der Allselige trifft mit Entzücken das Pochen des Herzens,

Eine reine himmlische Freude ist der Gebrauch der Sinne.

Dort ist jedes Wesen ein Glied des Selbstes,

Ein Teil des millionenfach gedachten Alls,

Ein Anwärter auf die zeitlose Einheit,

Die Süße im Vielen, die Freude am Unterschied,

Umsäumt von der Vertrautheit mit dem Einen.

Doch wer kann dir das glorreiche Angesicht der Wahrheit zeigen?

Unsere menschlichen Worte können sie nur umreißen.

Dem Denken ist sie ein undenkbarer Rausch von Licht,

Dem Reden ein unausdrückbares Wunder.

O Tod, wenn du die höchste Wahrheit berühren könntest,

Würdest du plötzlich weise werden und wärst nicht mehr.

Könnten unsere Seelen Gottes Wahrheit sehen, lieben und erfassen,

Würde ihre unendliche Strahlkraft unsere Herzen ergreifen,

Unser Wesen in das Ebenbild Gottes umgeschaffen

Und irdisches Leben göttliches Leben werden.“

Dann antwortete der Tod Savitri zum letzten Mal:

„Transzendiert die höchste Wahrheit ihren Schatten hier,

Durch Wissen und die aufsteigenden Weiten getrennt,

Welche Brücke kann die Kluft überspannen, den sie hinterließ

Zwischen ihr und der Traumwelt, die sie geschaffen hat?

Oder wer könnte hoffen, sie zu den Menschen herabzubringen,

Bewegend sie mit wunden Füßen auf dem rauen Erdball zu gehen,

Zurücklassend ihre unnahbare Glorie und Seligkeit,

Vergeudend ihre Herrlichkeit an blasse irdische Luft?

Ist dein jene Stärke, O Schönheit sterblicher Glieder,

O Seele, die flattert meinem Netz zu entfliehen?

Wer bist du denn, der sich verbirgt unter menschlichem Deckmantel?

Deine Stimme trägt den Klang der Unendlichkeit,

Wissen ist mit dir, Wahrheit spricht durch deine Worte;

In deinen Augen strahlt das Licht von Jenseitigem.

Doch wo ist deine Kraft, Zeit und Tod zu besiegen?

Hast du Gottes Kraft, hier Himmels Werte zu erbauen?

Denn Wahrheit und Wissen sind ein nutzloser Schimmer,

Bringt Wissen nicht das Vermögen, die Welt zu verändern,

Kommt Macht nicht, der Wahrheit ihr Recht zu verschaffen.

Eine blinde Kraft, nicht Wahrheit, schuf diese unwissende Welt,

Eine blinde Kraft, nicht Wahrheit, ordnet das Leben der Menschen:

Durch Macht, nicht durch Licht, regieren die großen Götter die Welt;

Macht ist der Arm Gottes, das Siegel des Schicksals.

O menschliche Anwärterin auf Unsterblichkeit,

Enthülle deine Macht, lege die Kraft deines Geistes bloß,

Dann werde ich dir Satyavan zurückgeben.

Oder wenn die Mächtige Mutter mit dir ist,

Zeige mir ihr Antlitz, dass ich sie anzubeten vermag;

Lass todlose Augen in die Augen des Todes blicken,

Lass eine unvergängliche Kraft, die grobe Dinge berührt,

Der Erde Tod in unsterbliches Leben wandeln.

Dann kann dein Toter zu dir zurückkehren und leben.

Die hingestreckte Erde wird ihren Blick vielleicht erheben

Und den geheimen Körper Gottes nahe bei sich spüren

Und Liebe und Freude die fliehende Zeit einholen.“

Und Savitri sah den Tod an und antwortete nicht.

Fast schien es, als ob in seiner Symbolgestalt

Das Dunkel der Welt dem Himmelslicht zugestimmt hätte

Und Gott bräuchte den Schirm des Nichtbewussten nicht mehr.

Eine mächtige Transformation kam über sie.

Ein Glorienschein der innewohnenden Gottheit,

Des Unsterblichen Glanz, der ihr Antlitz erhellte

Und im Haus ihres Körpers sein Strahlen unterbrachte,

Floß über und machte die Luft zu einem leuchtenden Meer.

In einem flammenden Augenblick der Apokalypse

Warf die Inkarnation ihren Schleier ab.

Eine kleine Gestalt in der Unendlichkeit,

Dennoch stand sie da und schien des Ewigen eigenes Haus zu sein,

Als wäre der Mittelpunkt der Welt ihre eigene Seele

Und all der weite Raum deren äußeres Gewand.

Ein Bogen der ruhigen Erhabenheit des fernen Himmels,

Niedersteigend in die Demut der Erde,

So umwölbte ihre Stirn des Allweisen Blick,

Waren ihre Augen zwei Sterne, die auf das Universum schauten.

Die Macht, die von der Höhe ihres Wesens herrschte,

Die Gegenwart, die in der Lotusheimlichkeit weilte,

Kam herab und zog in das Zentrum zwischen ihren Augenbrauen ein,

Wo der Herr des Mentals sitzt in seinem Aufsichtsraum;

Dort thronend auf dem heimatlichen Sitz der Konzentration

Öffnet er das mysteriöse dritte Auge im Menschen,

Auge des Ungesehenen, das auf das Ungesehene schaut,

Wenn Licht mit einer goldnen Ekstase sein Gehirn füllt

Und des Ewigen Weisheit ihn zu einer Entscheidung treibt

Und ewiger Wille den Willen des Sterblichen lenkt.

Sie wogte in der Lotusblüte ihrer Kehle des Gesangs,

Und in ihrer Sprache pochte das unsterbliche Wort,

Ihr Leben hallte wider von den Schritten der Weltseele,

Wandelnd im Einklang mit dem kosmischen Denken.

Wie Gottes Sonne in die mystische Höhle schlüpft,

Wo sich sein Licht vor den verfolgenden Göttern verbirgt,

So glitt sie in den Lotus ihres Herzens

Und weckte da die Kraft, die Schicksal wandelt.

Sie strömte in die Tiefe des Lotus ihres Nabels,

Wohnte im engen Haus der kleinen Lebensnatur,

Ließ blühen auf Körpergelüsten die Blume der Himmelsverzückung

Und machte Begehren zu einer reinen himmlischen Flamme,

Brach in die Höhle ein, wo eingerollt die Weltenergie schläft,

Und traf die tausendhäubige Schlangenkraft,

Die lodernd auffuhr und oben das Weltselbst umfing,

Einte die Stummheit der Materie mit dem Schweigen des Geistes

Und füllte die Taten der Erde mit der stillen Macht des Geistes.

Derart verwandelt harrte sie dem zu sprechenden Wort.

Ewigkeit blickte in die Augen des Todes

Und Dunkelheit sah Gottes lebendige Wirklichkeit.

Dann erklang eine Stimme wie das Selbst der Stille

Oder die leise ruhige Äußerung des Unendlichen

Wenn es zum Schweigen im Herz des Schlafes spricht.

„Ich grüße dich, allmächtiger und siegreicher Tod,

Du großartige Finsternis des Unendlichen.

O Leere, die du Raum schaffst für alles, was wird,

Hunger, der du am Universum nagst

Und die kalten Überreste der Sonnen verzehrst

Und die ganze Welt mit deinem Feuerschlund verschlingst,

Verschwender der Energie, die die Sterne schuf,

Nichtbewusstsein, Träger der Saat des Denkens,

Nichtwissen, in dem Allwissenheit begraben schläft

Und langsam aufersteht in dessen hohler Brust,

Tragend des Mentals Maske heller Unwissenheit.

Du bist mein Schatten und mein Instrument.

Ich gab dir deine schaurige Gestalt des Grauens

Und dein scharfes Schwert des Schreckens, Leidens und Schmerzes,

Um die Seele des Menschen zu zwingen, nach Licht zu ringen

In der Kürze seiner halbbewussten Tage.

Du bist sein Ansporn nach Größe in seinen Werken,

Die Geißel seiner Sehnsucht nach ewiger Seligkeit,

Sein brennend Bedürfnis nach Unsterblichkeit.

Lebe, Tod, eine Weile, sei noch mein Instrument.

Eines Tages wird auch der Mensch dein unergründliches Herz

Des Schweigens und den brütenden Frieden der Nacht kennen

Und ernsten Gehorsam gegen das ewige Gesetz

Und das ruhige unnachgiebige Mitleid in deinem Blicke.

Jetzt aber, O zeitlose Hoheit, tritt beiseite

Und verlass den Pfad meiner verkörperten Kraft.

Entlöse den strahlenden Gott von deiner schwarzen Maske:

Entlasse die Seele der Welt, genannt Satyavan,

Dass frei von deiner Umklammerung von Schmerz und Unwissenheit

Er Meister über Leben und Schicksal sei

Und für den Menschen stehe im Hause Gottes,

Der Gefährte der Weisheit und der Gemahl des Lichtes,

Der ewige Bräutigam der ewigen Braut.“

So sprach sie; doch der Tod, nicht überzeugt, widersetzte sich noch,

Obwohl er wusste, weigerte er sich zu wissen,

Obwohl er sah, weigerte er sich zu sehen.

Unerschütterlich stand er und forderte sein Recht.

Sein Geist beugte sich; sein Wille gehorchte dem Gesetz

Der eigenen Natur, das sogar die Götter bindet.

Die Zwei standen sich von Angesicht zu Angesicht gegenüber.

Sein Wesen türmte sich wie ein riesiges Bollwerk der Dunkelheit;

Um es herum wuchs ihr Licht, eines Ozeans Belagerung.

Eine Weile überlebte der Schatten, trotzend dem Himmel:

Bedrängt von vorne, niedergedrückt von oben,

Eine greifbare Masse von bewusster Macht, so ertrug er

Die Tyrannei ihres göttlichen Verlangens.

Ein Druck von unerträglicher Kraft

Lastete auf seinem ungebeugten Haupt und seiner sturen Brust;

Licht leckte wie eine brennende Zunge seine Gedanken auf,

Licht war eine leuchtende Tortur in seinem Herzen,

Licht strömte, eine prächtige Qual, durch seine Nerven;

Sein Dunkel murrte vergehend in ihrer Glut.

Ihr meisternd Wort gebot über jedes Glied

Und entzog seinem enormen Willen den Platz,

Der, gleichsam hinausgedrängt in einen hilflosen Raum,

Nicht mehr eintreten konnte sondern leer ihn ließ.

Er rief die Nacht, doch sie wich schaudernd zurück,

Er rief die Hölle, doch die zog sich mürrisch zurück:

Er wandte sich um Beistand an das Nichtbewusste,

Aus dem er geboren ward, sein großes stützendes Selbst;

Das zog ihn nach unten, einer grenzenlosen Nichtsheit zu,

Wie um durch ihn selber zu verschlingen ihn:

Er rief seine Stärke, doch schlug sie ab seinen Ruf.

Sein Körper ward vom Licht verzehrt, sein Geist verschlungen.

Endlich erkannte er die unvermeidliche Niederlage

Und ließ, zerfallend, ab von der Gestalt, die er getragen hatte,

Und gab die Hoffnung auf, des Menschen Seele zu erbeuten

Und dem unsterblichen Geist Sterblichkeit aufzuzwingen.

Weit weg floh er, scheuend ihre schreckliche Berührung,

Und suchte Zuflucht in der weichenden Nacht.

Aus dem Traum-Zwielicht dieser Symbol-Welt

Entwich der schreckliche universale Schatten,

Verschwindend in die Leere, aus der er kam.

Seiner Grundursache gleichsam beraubt,

Verging das Zwielichtreich, von ihren Seelen sich verflüchtigend,

Und Satyavan und Savitri waren allein.

Doch keiner rührte sich: Zwischen diesen Gestalten erhob sich

Eine stumme unsichtbare und durchscheinende Wand.

In des langen leeren Augenblicks Pause konnte sich nichts regen:

Alles wartete auf den unbekannten unergründlichen Willen.

Ende des vierten Cantos
Ende des zehnten Buches

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