Drittes Buch

Das Buch von der Göttlichen Mutter

Vierter Canto

Die Schau und der Segen

Dann plötzlich wallte eine heilige Regung auf.

Inmitten der unbelebten Stille der Leere,

In einer Einsamkeit und Unermesslichkeit

Kam bebend ein Laut wie von geliebtem Schritte,

Gehört in den lauschenden Räumen der Seele;

Eine Berührung verwirrte seine Fasern mit Wonne.

Ein Einfluss hatte sich dem sterblichen Bereich genähert,

Ein grenzenloses Herz war seinem sehnend Herz ganz nah,

Eine mystische Form umhüllte seine irdische Gestalt.

Von ihr berührt brach alles aus dem Siegel des Schweigens;

Wesensgeeint erschauerten Geist und Körper,

Verbunden im Griff einer ungeäußerten Freude;

Mental, Glieder, Leben waren in Ekstase miteinander verschmolzen.

Berauscht wie von nektarhaltigem Regen

Flossen die leidenschaftlichen Weiten seiner Natur ihr zu,

Aufleuchtend von Blitzen, verrückt vom leuchtenden Wein.

Alles war ein grenzenloses Meer, das sich zum Monde hin erhob.

Ein vergöttlichender Strom bemächtigte sich seiner Adern,

Die Zellen seines Körpers erwachten zum Geist-Sinn,

Jeder Nerv wurde ein brennender Strang der Freude:

Fleisch und Gewebe teilten Glückseligkeit.

Die grauen unausgelotet unterbewussten Höhlen

Erbebten erhellt mit der Voraussicht ihres langersehnten Schrittes

Und füllten sich mit flackernden Feuerkämmen und betenden Zungen.

Sogar in Schlaf gesunken, stumm, leblos,

Gab sein ganzer Körper Antwort ihrer Macht.

Die Eine, die er verehrte, war nun in ihm:

Flammenrein, ätherisch gelockt, ein mächtiges Antlitz

Erschien und Lippen, von unsterblichen Worten bewegt;

Lider, der Weisheit Blätter, senkten sich über Augen des Entzückens.

Als Marmor-Monument des Nachsinnens erstrahlte

Eine Stirn, des Sehens Krypta, und weit wie der Blick des Ozeans

Gen Himmel, schauten zwei friedliche Augen grenzenlosen Denkens

In die des Menschen und sahen den künftigen Gott.

Eine Gestalt war an der Schwelle Mental zu sehen, eine Stimme

Sprach absolut und weise in der Kammer des Herzens:

„O Sohn der Stärke, der du die Gipfel der Schöpfung erklimmst,

Keine Seele ist dein Gefährte in dem Licht;

Allein stehst du an den ewigen Pforten.

Was du gewonnen hast ist dein, doch fordere nicht mehr.

O Geist, der du strebst in einem unwissenden Gefäß,

O Stimme, entstiegen aus der Welt des Nichtbewussten,

Wie willst du für Menschen sprechen, deren Herzen stumm sind,

Zum Heim der Seele Seherschau die kurzsichtige Erde machen

Oder die Bürde des besinnungslosen Erdballs erleichtern?

Ich bin das Mysterium über dem Bereich des Mentals,

Ich bin das Ziel der Mühsal der Sonnen;

Mein Feuer und meine Süße sind der Grund des Lebens.

Doch zu unermesslich meine Gefahr und meine Freude.

Wecke nicht die ungeheure Herabkunft,

Nenne feindlicher Zeit nicht meinen geheimen Namen;

Der Mensch ist zu schwach, um des Unendlichen Last zu tragen.

Wahrheit, zu früh geboren, könnt` zerbrechen die unvollkommene Erde.

Lass die allsehende Macht ihren Weg sich bahnen:

Abseits herrsche in deiner einmalig enormen Errungenschaft

Und stehe der Welt mit deinen großen einsamen Tagen bei.

Von dir verlange ich nicht, dass du dein Flammenherz versenkst

In die weite gleichgültige Seligkeit des Unbewegten,

Abgewandt vom fruchtlosen Gang der Jahre,

Im Stich lassend die grimmige Arbeit der Welten,

Fern von Geschöpfen, verloren in dem Alleinigen.

Wie soll dein mächtiger Geist Ruhe dulden

Solange der Tod auf Erden noch unbesiegt ist

Und Zeit ein Feld von Leid und Schmerz ist?

Deine Seele ward geboren, um die Last der Kraft mitzutragen;

Gehorche deiner Natur und erfülle dein Geschick:

Nimm die Schwierigkeit und gottgleiche Mühsal an,

Für die langsam schreitend allweise Absicht lebe.

In der Menschenart ist des Rätsels Knoten geknüpft.

Ein Blitzstrahl aus den Höhen, die denken und planen,

Vergängliche Furchen ziehend durch die Luft des Lebens,

Strebt der Mensch, in einer unbewussten Welt als einziger wach,

Vergeblich nach einem Wandel des kosmischen Traumes.

Aus irgend halbleuchtendem Jenseits kommend,

Ist er ein Fremder in den mentallosen Weiten;

Als Wanderer in seiner oft wechselnden Heimat

Inmitten des Ablaufs vieler Unendlichkeiten

Schlug er im öden Raum ein Lebenszelt auf.

Des Himmels fester Blick schaut von oben auf ihn nieder,

Ein Unruh stiftender Gast im Hause der Natur,

Ein Reisender zwischen unsteten Ufern des Denkens,

Ein Jäger unbekannter und schöner Mächte,

Ein Nomade des fernen geheimnisvollen Lichtes,

Auf den weiten Wegen ein kleiner Funke Gottes.

Gegen seinen Geist steht alles in schlimmem Bund,

Ein Titaneneinfluss unterbindet seinen auf Gott gerichteten Blick.

Um ihn hungert die unbarmherzige Leere,

Die ewige Finsternis sucht ihn mit ihren Händen,

Unergründliche Energien treiben und täuschen ihn,

Gewaltige unerbittliche Gottheiten widersetzen sich.

Eine träge Seele und eine schlafwandlerische Kraft

Haben eine Welt geschaffen, die Leben und Denken entfremdet ist;

Der Drache der finsteren Fundamente bewahrt

Unwandelbar das Gesetz des Zufalls und des Todes;

Auf seinem langen Weg durch Zeit und Umstand

Harrt seiner die graufarbig zerpflückende niedere Schattensphinx,

Ihre furchtbaren Klauen auf verschlingendem Sand,

Bewaffnet mit dem seelentötenden Wort:

Das düstere Heerlager der Nacht blockiert seinen Weg.

Sein Tag ist ein Augenblick in unaufhörlicher Zeit;

Er ist die Beute der Minuten und der Stunden.

Auf Erden bestürmt und des Himmels nicht gewiss,

Unglücklich und erhaben hier herabgestiegen,

Ein Bindeglied zwischen dem Halbgott und dem wilden Tier,

Kennt weder seine Größe er noch sein Ziel;

Er hat vergessen, warum er kam und woher.

Sein Geist und seine Glieder sind im Kriegszustand;

Seine Höhen brechen weg, zu niedrig zum Erreichen der Himmel,

Seine Masse ist vergraben im tierischen Schlamm.

Eine seltsame Antinomie ist die Regel seiner Natur.

Ein Rätsel von Gegensätzen bildet sein Feld:

Er verlangt nach Freiheit, doch braucht zum Leben Fesseln,

Er braucht Dunkelheit, um etwas Licht zu gewahren,

Und braucht Kummer, um ein wenig Glück zu fühlen;

Er braucht den Tod, um ein größeres Leben zu finden.

Er sieht alle Seiten und dreht sich um nach jedem Ruf;

Er hat kein sicheres Licht, nach dem er gehen könnte;

Sein Leben ist ein Blindekuhspiel, ein Versteckspiel;

Er sucht sich selbst und rennt vor sich selbst davon;

Sich treffend meint er, dieser sei ein anderer.

Immer baut er, findet aber keinen bleibenden Grund,

Immer reist er, kommt aber nirgends an;

Er will die Welt führen, sich selbst vermag er nicht zu führen;

Er will seine Seele retten, sein Leben vermag er nicht zu retten.

Das Licht, das seine Seele brachte, hat sein Mental verloren;

Alles, was er gelernt hat, ist bald wieder im Zweifel;

Der Schatten seiner Gedanken scheint ihm eine Sonne zu sein,

Dann wieder ist alles Schatten und nichts ist wahr:

Ohne zu wissen, was er tut und wohin er neigt,

Fabriziert er Zeichen des Wirklichen in Unwissenheit.

Sein irdisch Irren hat er am Stern der Wahrheit festgemacht.

Weisheit lockt ihn mit ihren leuchtenden Masken,

Doch nie hat er dahinter das Antlitz erblickt:

Eine gigantische Unwissenheit umgibt sein überliefertes Wissen.

Beauftragt, das kosmische Mysterium zu treffen

In der stummen Gestaltung einer materiellen Welt,

Sein Eintrittspass und seine Personalien falsch,

Muss er nun das sein, was er nicht ist;

Er gehorcht dem Nichtbewussten, das zu meistern er kam,

Und versinkt in Materie, um seine Seele zu erfüllen.

Aus ihren niederen getriebenen Formen geweckt

Gab die Erdmutter ihre Kräfte in seine Hände

Und schmerzvoll hütet er dies schwere Anvertraute;

Sein mentaler Geist ist ein verirrter Fackelträger auf ihren Straßen.

Erleuchtend Atem zum Denken und Plasma zum Fühlen,

Müht er sich mit seinem behäbigen und skeptischen Gehirn,

Gestützt von unschlüssigen Feuern der Vernunft,

Um sein Denken und Wollen zu einer magischen Pforte zu machen,

Durch welches Wissen komme in die Finsternis der Welt

Und Liebe ein Reich regiere von Streit und Hass.

Als mentaler Geist, unfähig Himmel und Erde zu versöhnen

Und mit tausend Fesseln an Materie gebunden,

Erhebt er sich selbst, ein bewusster Gott zu sein.

Auch wenn eine Glorie der Weisheit seine Stirn umkrönt,

Wenn Mental und Geist ein grandioses Strahlen verströmen,

Um dies Produkt von Same und Gen zu veredeln,

Dies alchemistische Wunder aus Plasma und Gas,

Und er, der das Gerenne und Gekrieche des Tieres teilte,

Seine Denkstatur emporhebt zu den Höhen des Unsterblichen,

Hält sich sein Leben noch an den menschlichen Mittelweg;

Seinen Körper überlässt er Tod und Schmerz,

Lässt fallen Materie, seine allzu schwere Last.

Ein Thaumaturg, der skeptisch gegenüber Wundern ist,

Ein Geist, der seiner okkulten Kraft beraubt ist

Durch ein ungläubig Gehirn und ein leichtgläubig Herz,

Lässt er die Welt dort enden, wo sie begann:

Sein Werk unvollendet, fordert er einen himmlischen Preis.

Damit hat er das Absolute der Schöpfung verfehlt.

Auf halbem Wege hält er seinen Schicksalsstern an:

Ein riesig und vergeblich lang erprobtes Experiment,

Ein undienlich hohes Konzept, zweifelhaft ausgeführt,

Erblickt das Leben der Welt sein Ziel nicht und wankt, –

Im Zickzack gen unbekannt gefährlichen Grund,

Stets wiederholend seinen gewohnten Gang,

Stets zurückweichend nach gewaltigen Märschen

Und schwerst erkämpften Siegen ohne sicheren Erfolg,

Ein endlos dauernd ergebnisloses Spiel.

In einem schlecht sitzend und voluminösen Gewand

Verbirgt noch immer ein strahlend Vorhaben sein Gesicht,

Stolpert eine mächtige Blindheit hoffend voran,

Nährend ihre Stärke mit Gaben leuchtenden Zufalls.

Da versagt hat das menschliche Instrument,

Schläft die Gottheit vereitelt in ihrem Samen weiter,

Ein Geist, verfangen in den Formen, die er schuf.

Wen Gott führt, dessen Scheitern ist kein Scheitern;

Durch alles rückt der langsame mysteriöse Marsch voran:

Eine unwandelbare Macht hat diese wandelbare Welt gemacht;

Ein selbsterfüllendes Übersein beschreitet des Menschen Weg;

Als das Treibende der Seele auf seinem Pfad

Kennt es seine Schritte, sein Weg ist unabwendbar,

Und wie sollte das Ziel nichtig sein mit Gott als Führer?

Auch wenn des Menschen Mental ermüdet oder sein Fleisch versagt,

Ein Wille setzt sich durch und hebt seine bewusste Entscheidung auf:

Das Ziel schwindet, eine grenzenlose Weite ruft,

Zurückziehend in ein unermesslich Unbekanntes;

Es gibt kein Ende für den gewaltigen Marsch der Welt,

Es gibt keine Ruhe für die verkörperte Seele.

Sie muss weiterleben, die ganze Riesenkurve der Zeit beschreiben.

Ein Zustrom drängt vom verschlossenen Jenseits her,

Ihm Ruhe und irdische Behaglichkeit verbietend,

Kann er nicht rasten, bis er sich selbst gefunden hat.

Ein Licht, das leitet, ist da, eine Macht, die hilft;

Unbemerkt, ungefühlt sieht und wirkt es in ihm:

Unwissend, gestaltet er das Allbewusste in seinen Tiefen,

Menschlich, späht er zu übermenschlichen Gipfeln hoch:

Sich borgend Gold der Übernatur,

Pflastert er seine Straße zur Unsterblichkeit.

Dem Menschen sehen hohe Götter zu und wählen

Das heute noch Unmögliche als Grundlage für die Zukunft.

Sein Vergängliches bebt, vom Ewigen berührt,

Seine Schranken brechen unter dem Schritt des Unendlichen;

Die Unsterblichen haben Zugang in sein Leben:

Die Botschafter des Unsichtbaren nahen.

Als Glanz, getrübt von sterblicher Luft,

Streift Liebe durch sein Herz, ein wandernder Gast.

Schönheit umgibt ihn eine magische Stunde lang,

Besuche hat er von einer großen enthüllenden Freude,

Flüchtige Ausweitungen befreien ihn von sich selbst,

Verlocken zu einer Glorie, die immer vor ihm liegt,

Und Hoffnungen einer todlosen Süße locken und fliehen.

Sein Mental wird von seltsam entdeckenden Feuern durchkreuzt,

Erlesene Andeutungen erhöhen seine stockende Sprache

Für einen Augenblick zur Verwandtschaft mit dem ewigen Wort;

Eine Maskerade der Weisheit kreist durch sein Gehirn

Und verblüfft ihn mit Einsichten von halbgöttlicher Art.

Manchmal legt er seine Hände auf das Unbekannte;

Manchmal verkehrt er mit Ewigkeit.

Ein seltsames und grandioses Gleichnis war seine Geburt

Und Unsterblichkeit und Geist-Raum

Und reine Vollendung und eine schattenlose Seligkeit

Sind das mächtige Schicksal dieses geplagten Geschöpfes.

In ihm sieht die Erdmutter den Wandel nahen,

Der sich in ihren stummen und feurigen Tiefen abzeichnet,

Eine Gottheit, geschaffen aus ihren umgewandelten Gliedern,

Eine Alchemie des Himmels auf dem Grunde der Natur.

Adept der selbstgeborenen unfehlbaren Linie,

Lass nicht das Licht erlöschen, das Epochen getragen haben,

Hilf noch dem blinden und leidenden Leben der Menschheit:

Gehorche dem weiten allmächtigen Drängen deines Geistes.

Als Zeuge von Gottes Zwiesprache mit der Nacht

Beugte er sich erbarmend aus unsterblicher Ruhe herab

Und behauste Begierde, die plagende Saat der Dinge.

Bekenne dich zu deinem hohen Selbst, schaffe, ertrage.

Höre nicht auf zu wissen, lass dein Mühen weit sein.

Irdische Grenzen vermögen deine Kraft nicht mehr einzuschließen;

Stell dein Werk gleich dem langen endlosen Werk der Zeit.

Wanderer auf den kahlen ewigen Höhen,

Beschreite weiter den schwierigen und zeitlosen Pfad,

Der die Zyklen mit ihrer strengen Biegung verknüpft,

Bemessen für den Menschen von den eingeweihten Göttern.

Mein Licht wird in dir sein, meine Stärke wird deine Kraft sein.

Lass nicht den ungeduldigen Titan dein Herz antreiben,

Verlange nicht nach der unvollkommenen Frucht, dem Teilgewinn.

Nur eine Wohltat, deinen Geist zu erhöhen, fordere;

Nur eine Freude, deinesgleichen zu erheben, begehre.

Über blindem Schicksal und den feindlichen Mächten

Steht bewegungslos ein hoher unveränderlicher Wille;

Seiner Allmacht überlass das Ergebnis deines Werkes.

Alles wird sich wandeln in Gottes verklärender Stunde.“

Erhaben und süß verstummte die mächtige Stimme.

Nichts regte sich mehr jetzt im weiten sinnenden Raum:

Eine Stille kam über die lauschende Welt,

Eine stumme Unermesslichkeit vom Frieden des Ewigen.

Doch das Herz Aswapatis antwortete ihr,

Ein Schrei inmitten des Schweigens der Weiten:

„Wie soll ich zufrieden bleiben mit sterblichen Tagen

Und dem stumpfen Maß der irdischen Dinge,

Der ich hinter der kosmischen Maske

Die Glorie und die Schönheit deines Angesichts gesehen habe?

Hart ist das Los, an das du deine Söhne bindest!

Wie lang soll unser Geist mit der Nacht noch kämpfen

Und Niederlage erdulden und das brutale Joch des Todes,

Wir, die wir Gefäße sind einer todlosen Kraft

Und Erbauer der Gottheit des Menschengeschlechts?

Und wenn dein Werk es ist, das ich unten tue

Inmitten des Irrtums und Verschwendens menschlichen Lebens,

In dem vagen Licht des Menschen halbbewusstem Mental,

Warum bricht kein ferner Schimmer herein von dir?

Ewig gehen Jahrhunderte und Jahrtausende dahin.

Wo in dieser grauen Existenz ist der Strahl deines Kommens?

Wo ist das Donnern der Schwingen deines Sieges?

Wir hören nur die Füße vorübergehender Götter.

Gemäß einem Plan im okkulten ewigen Mental,

Aufgezeichnet der zurück- und vorwärtsgerichteten Schau,

Wiederholen Äonen immer wieder ihre unabänderliche Runde,

Bauen Zyklen alles wieder neu und streben immer weiter.

Alles, was wir getan haben, ist immer noch zu tun.

Alles zerbricht und alles erneuert sich und ist sich gleich.

Riesige Umwälzungen des Lebens unfruchtbaren Kreisens,

Die neugeborenen Zeitalter vergehen wie die alten,

Als wahrte das traurige Rätsel noch sein Recht,

Bis alles getan ist, wofür dieser Schauplatz geschaffen ward.

Zu gering ist die Stärke, die jetzt mit uns geboren wird,

Zu schwach das Licht, das sich durch die Lider der Natur stiehlt,

Zu dürftig die Freude, die sie sich mit unserem Schmerz erkauft.

In einer rohen Welt, die ihre eigene Bedeutung nicht kennt,

Leben wir gedankengeplagt auf dem Rad der Geburt

Als Instrumente eines Impulses, der nicht der unsrige ist,

Gedrängt zu erringen mit unserem Herzblut als Preis

Halbwissen, Halbschöpfungen, die bald schon Überdruss bereiten.

Eine vereitelte unsterbliche Seele in vergänglichen Gliedern,

Behindert und zurückgeschlagen mühen wir uns nach wie vor;

Vernichtet, enttäuscht, verbraucht überleben wir dennoch.

Unter Qualen arbeiten wir daran, auf das in uns

Ein weitsichtigerer Mensch mit edlerem Herzen erstehe,

Ein goldnes Gefäß der inkarnierten Wahrheit,

Der Vollstrecker des göttlichen Unterfangens hier,

Ausgerüstet, den irdischen Leib Gottes zu tragen,

Kommunikant und Prophet und Liebender und König.

Ich weiß, dass deine Schöpfung nicht scheitern kann:

Denn sogar durch den Nebel sterblichen Denkens

Sind deine mysteriösen Schritte unfehlbar,

Und trägt Notwendigkeit auch des Zufalls Gewand,

Birgt sie doch in den blinden Wechseln des Schicksals

Die bedächtig ruhige Logik des Schreitens der Unendlichkeit

Und die unantastbare Abfolge ihres Willens.

In aufsteigenden Stufen ist alles Leben festgelegt

Und unerbittlich ist das evolvierende Gesetz;

Im Anfang ist das Ende schon angelegt.

Dies seltsam irrationale Produkt aus dem Schlamm,

Dieser Kompromiss zwischen Tier und Gott,

Ist nicht die Krone deiner wundersamen Welt.

Ich weiß, es wird die nichtbewussten Zellen einst durchdringen,

Eins mit Natur und höhengleich mit Himmel,

Ein Geist, der weit ist wie das fassende Firmament

Und durchflutet von Ekstase aus unsichtbaren Quellen,

Ein Gott, herabgekommen und größer durch den Fall.

Eine Macht erhob sich aus der Zelle meines Schlummers.

Ablegend das schleppende Hinken der Stunden

Und das unbeständige Blinzeln sterblichen Sehens,

Dort, wo der Denker schläft in zu viel Licht

Und unduldsam das einsam allgewahrende Auge flammt,

Hörend das Wort des Schicksals aus dem Herz des Schweigens

Im endlosen Augenblick der Ewigkeit,

Sah sie die Werke der Zeit von der Zeitlosigkeit her.

Überschritten waren die bleiernen Formeln des Mentals,

Überwunden das Hindernis sterblichen Raumes:

Das sich entfaltende Bild zeigte das, was kommen wird.

Ein gigantischer Tanz Shivas zerriss die Vergangenheit;

Es war ein Donnern wie von Welten, die einstürzen;

Die Erde wurde mit Feuer und dem Gebrüll des Todes überrannt,

Mit Getöse eine Welt zu erschlagen, die sein Hunger erschaffen hat;

Es war ein schriller Klang von Flügeln der Zerstörung:

Der Schlachtruf des Titanen war in meinen Ohren,

Aufruhr und Lärm ließen die gepanzerte Nacht erbeben.

Ich sah die flammenden Pioniere des Allmächtigen

Über die himmlische Schwelle, die ins Leben führt,

In Massen auf den Bernsteinstufen der Geburt herniederkommen;

Vorläufer einer göttlichen Schar,

Von den Pfaden des Morgensterns her kamen sie

In den kleinen Raum des sterblichen Lebens.

Ich sah sie die Dämmerung eines Zeitalters durchqueren,

Die sonnenäugigen Kinder einer wunderbaren Morgenröte,

Die großen Schöpfer mit der weiten Stirn der Ruhe,

Die wuchtigen Bollwerkbrecher der Welt

Und Ringer mit Vorsehung in deren Listen des Willens,

Die Arbeiter in den Steinbrüchen der Götter,

Die Botschafter des Unmitteilbaren,

Die Architekten der Unsterblichkeit.

Sie kamen in die gefallene menschliche Sphäre,

Gesichter, auf denen die Glorie des Unsterblichen noch lag,

Stimmen, die noch mit Gottes Gedanken kommunizierten,

Körper, die schön gestaltet waren durch das Licht des Geistes,

Tragend das magische Wort, das mystische Feuer,

Tragend den dionysischen Kelch der Freude,

Nahende Augen eines göttlicheren Menschen,

Lippen, singend eine unbekannte Hymne der Seele,

Füße, widerhallend in den Korridoren der Zeit.

Hohe Priester der Weisheit, Süße, Macht und Seligkeit,

Entdecker der sonnenhellen Wege der Schönheit

Und Schwimmer durch die lachend feurigen Fluten der Liebe

Und Tänzer unter den goldnen Toren der Verzückung,

Ihr Schritt wird eines Tages die leidende Erde wandeln

Und das Licht auf dem Antlitz der Natur rechtfertigen.

Obwohl Schicksal im hohen Jenseits verweilt

Und das Werk, dem unsere Kraft des Herzens galt, vergeblich scheint,

Wird doch alles vollbracht, für das wir unsere Schmerzen trugen.

Wie in den alten Zeiten nach dem Tier der Mensch gekommen ist,

Wird nun ganz gewiss dieser hohe göttliche Nachfolger kommen

Hinter des Menschen fruchtlos sterblichem Schreiten,

Hinter seinem vergeblichen Mühen, Schweiß, Blut und Tränen:

Wissen wird er, was sterbliches Mental kaum zu denken wagt,

Tun wird er, was das Herz des Sterblichen sich nicht zutraute.

Als Erbe all der Plackerei der menschlichen Zeit

Wird er die Bürde der Götter auf sich nehmen;

Das ganze himmlische Licht wird der Erde Gedanken besuchen,

Die Macht des Himmels wird den irdischen Herzen Stärke verleihen;

Der Erde Taten werden die Höhe des Übermenschen berühren,

Der Erde Schau sich weiten in das Unendliche.

Noch unverändert schwer wiegt die unvollkommene Welt;

Die herrliche Jugend der Zeit ist vorüber und hat versagt;

Schwer und lang sind die Jahre, die unser Mühen zählt,

Und noch immer sind die Siegel fest auf des Menschen Seele

Und müde ist das Herz der uralten Mutter.

O Wahrheit, geschützt in deiner geheimen Sonne,

Stimme ihres mächtigen Sinnierens in verschlossenen Himmeln

Über entrückte Dinge in ihren lichten Tiefen,

O Weisheitsglanz, Mutter des Universums,

Schöpferin, Künstlerbraut des Ewigen,

Zögere nicht länger mit deiner umgestaltenden Hand,

Die vergebens drückt auf den einen goldnen Riegel der Zeit,

Als wage Zeit es nicht, ihr Herz für Gott zu öffnen.

O strahlende Quelle der Welt Wonne,

Weltfrei und unerreichbar darüber,

O Seligkeit, die du immer tief verborgen zuinnerst wohnst,

Während die Menschen dich außen suchen und nie finden,

Mysterium und Muse mit hieratischer Zunge,

Verkörpere die weiße Leidenschaft deiner Kraft,

Zur Erde sende eine lebendige Gestalt von dir.

Erfülle einen einzigen Moment mit deiner Ewigkeit,

Lass deine Unendlichkeit in einem Körper leben,

All-Wissen ein Mental in Lichtmeere hüllen,

All-Liebe wenigstens in einem Menschenherzen pochen.

Unsterblich, betretend die Erde mit sterblichem Fuß,

Alle Schönheit des Himmels häufe in irdischen Gliedern an!

Allmacht, gürte mit der Macht Gottes

Bewegungen und Augenblicke eines sterblichen Willens,

Packe eine einzige menschliche Stunde voll mit ewiger Macht

Und mit einer einzigen Geste wandle alle künftige Zeit.

Lass ein großes Wort von den Höhen her sprechen

Und eine einzige große Tat die Tore des Schicksals öffnen.“

Sein Gebet sank hinab in die widerstrebende Nacht,

Niedergedrückt von tausend Kräften, die verwehren,

Als wäre es zu schwach zum Höchsten aufzusteigen.

Doch da erhob sich eine weite einwilligende Stimme;

Der Geist der Schönheit offenbarte sich im Klang:

Licht umflutete die Stirn der herrlichen Vision

Und auf ihren Lippen nahm die Freude des Unsterblichen Gestalt an.

„O starker Vorläufer, ich vernahm deinen Ruf.

Eine wird herniederkommen und brechen das eiserne Gesetz,

Wandeln das Verhängnis der Natur allein durch des Geistes Macht.

Ein grenzenloses Mental, das die Welt in sich enthalten vermag,

Ein liebliches und stürmisches Herz von glühender Gemütsruhe

Wird kommen, bewegt von den Leidenschaften der Götter.

Alle Mächte und Größen werden sich in ihr vereinen;

Himmlisch wird Schönheit auf Erden wandeln,

Wonne wird schlafen im Wolkennetz ihres Haares,

Und in ihrem Körper wird wie auf seinem heimatlichen Baume

Der unsterbliche Gott der Liebe seine glorreichen Flügel schlagen.

Eine Musik von sorglosen Dingen wird ihren Zauber weben;

Die Harfen der Vollendeten werden ihre Stimme begleiten,

Die Ströme des Himmels werden in ihrem Lachen plätschern,

Ihre Lippen werden Honigwaben Gottes sein,

Ihre Glieder seine goldnen Gefäße der Ekstase,

Ihre Brüste die Verzückungsblumen des Paradieses.

Weisheit wird sie tragen in ihrem stimmlosen Busen,

Stärke wird bei ihr sein wie ein Schwert des Siegers

Und aus ihren Augen wird die Seligkeit des Ewigen blicken.

Ein Same wird gesät in die schreckliche Stunde des Todes,

Ein Zweig des Himmels sich verpflanzen auf menschlichem Boden;

Überspringen wird Natur die Stufe ihrer Sterblichkeit;

Gewandelt wird Schicksal durch einen unwandelbaren Willen.“

Wie eine Flamme in endlosem Licht vergeht,

Unsterblich erloschen in ihrer Quelle,

Verschwand die Pracht und verstummte das Wort.

Ein Widerhall der Wonne, die einst nahe war,

So reiste die Harmonie zu einer fernen Stille,

Eine Musik, verklingend im Ohr der Trance,

Eine Kadenz, gerufen von fernen Kadenzen,

Eine Stimme, die vibrierend in verhallenden Weisen entschwebt.

Von sehnender Erde zog ihre Gestalt sich zurück,

Nähe versagend den sich selbst überlassenen Sinn,

Aufsteigend zu ihrem unerreichbaren Heim.

Einsam, strahlend, leer lagen die inneren Gefilde da;

Alles war unausgefüllter übermäßiger Geist-Raum,

Gleichgültig, öde, eine Wüste hellen Friedens.

Dann rührte sich eine Linie am fernen Rande der Ruhe:

Eine irdische Woge, warmlippig, gefühlvoll, sanft,

Ein Gemurmel und Lachen, lebhaft und vielraunig,

Kam gleitend herein auf weißen Füßen des Klanges.

Aufgeschlossen war das Herz der tiefen Glorie des Schweigens;

Die absoluten regungslosen Schweigsamkeiten

Gaben sich dem Atem sterblicher Luft hin,

Die Himmel der Trance, grenzenlos aufgelöst,

Zerfielen zu wachem Mental. Ewigkeit

Senkte ihre unsagbaren Lider

Über ihre Einsamkeiten, der Kenntnis unzugänglich,

Hinter dem stimmlosen Mysterium des Schlafes.

Die grandiose Pause, die weite Befreiung schwand.

Im Lichte sich rasch entfernender Ebenen,

Die vor ihm flüchteten wie vor einer Sternschnuppe,

Gedrängt, das menschliche Haus in der Zeit zu füllen,

Kehrte seine Seele zurück in die Hast und den Lärm

Der ungeheuren Geschäftigkeit geschaffener Dinge hier.

Ein Triumphwagen für die Wunder des Himmels,

Breit abgestützt, um auf Feuerrädern die Götter mitzuführen,

So fegte er flammend durch die spirituellen Tore.

Der sterbliche Trubel nahm ihn hier in Empfang.

Und wieder bewegte er sich inmitten materieller Szenerien,

Erhoben durch Eingebungen aus den Höhen

Und in den Pausen des bauenden Gehirns

Berührt von Gedanken, die das unergründliche Gewoge der Natur

Streifen und zurückfliegen an verborgene Ufer.

Der ewige Sucher auf dem äonischen Gebiet,

Bedrängt von dem unnachgiebigen Druck der Stunden,

War wieder stark für große schnellfüßige Taten.

Wach unter dem unwissenden Gewölbe der Nacht,

Sah er das unzählige Volk der Sterne

Und hörte das Fragen der unbefriedigten Flut

Und mühte sich mit dem Formenmacher, messendem Mental.

Ein Wanderer von den okkulten unsichtbaren Sonnen,

Erfüllend das Schicksal der vergänglichen Dinge,

Ein Gott in der Gestalt des aufgerichteten Tieres,

Hob er seine Stirn der Eroberung zu den Himmeln empor

Und gründete das Imperium der Seele

Auf der Materie und ihrem begrenzten Universum

Wie auf einem festen Fels in grenzenlosen Meeren.

Der Herr des Lebens nahm seine mächtigen Runden

Im kargen Feld des zweideutigen Erdballs wieder auf.

Ende des dritten Buches, vierter Canto
Ende des ersten Teils

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