Drittes Buch

Das Buch von der Göttlichen Mutter

Erster Canto

Die Verfolgung des Unerkennbaren

Zu klein ist alles, was die Welt zu geben vermag:

Ihre Macht und ihr Wissen sind die Gaben der Zeit

Und stillen nicht den heiligen Durst des Geistes.

Obgleich diese Formen der Erhabenheit vom Einen sind

Und durch seinen Hauch der Gnade unser Leben wärt,

Obgleich näher uns als die Nahheit selbst,

Ist er doch von dem, was wir sind, die größte Wahrheit;

Verdeckt durch seine eigenen Werke, schien er weit entfernt,

Undurchdringlich, okkult, stimmlos, obskur.

Die Gegenwart war entschwunden, die allen Dingen Zauber verleiht,

Die Glorie fehlte, von der sie blasse Zeichen sind.

Die Welt lebte weiter, von ihrer Ursache entleert,

Wie Liebe, wenn das Antlitz des Geliebten nicht mehr da ist.

Das Mühen um Erkenntnis schien eitles Ringen des Mentals zu sein;

Alles Wissen endete in dem Unerkennbaren:

Das Bestreben zu herrschen, schien eitler Stolz des Willens zu sein;

Als belanglose Errungenschaft, verachtet von der Zeit,

Zog sich alle Macht in den Allmächtigen zurück.

Eine Höhle von Finsternis hütet das ewige Licht.

Ein Schweigen ließ sich in seinem ringenden Herzen nieder;

Entbunden von den Stimmen der Weltbegier,

Wandte er sich dem zeitlosen Ruf des Unbeschreiblichen zu.

Eine Wesenheit, vertraut und unbenennbar,

Eine Ekstase und ein Friede, weit und unwiderstehlich,

Gefühlt in sich selbst und in allem und doch unfassbar,

Nahte sich und entschwand der Verfolgung seiner Seele,

Wie um ihn auf ewig ins Jenseits zu locken.

Nah, zog sie sich zurück; fern, rief sie ihn noch.

Nichts konnte befriedigen außer ihrer Wonne:

Ihre Abwesenheit ließ die größten Taten stumpf,

Ihre Gegenwart ließ die kleinsten göttlich sein.

War sie da, war des Herzens Abgrund erfüllt;

Hielt aber die erhebende Gottheit sich zurück,

Verlor das Dasein in der Öde sein Ziel.

Die Ordnung der unvorstellbar alten Ebenen,

Die überaus große Vielfalt der Instrumente

Wurden zu Requisiten für eine vorübergehende Bühne gemacht.

Doch wer diese Hoheit war, wusste er noch nicht.

Ungreifbar, doch erfüllend alles, was ist,

Schuf und löschte sie Millionen Welten aus,

Nahm an und verlor tausend Formen und Namen.

Sie trug den Mantel einer nicht wahrnehmbaren Weite

Oder war ein feiner Kern in der Seele:

Eine distanzierte Größe beließ sie riesig und verschwommen,

Eine mystische Nähe schloss sie wonnig ein:

Sie schien bisweilen ein Hirngespinst oder ein Gewand zu sein

Und bisweilen der überdimensionale Schatten von ihm selbst.

Ein gigantischer Zweifel überschattete sein Vorwärtsschreiten.

Durch eine neutrale allstützende Leere,

Deren Ausdruckslosigkeit seinen einsam unsterblichen Geist nährte,

Gelockt zu irgend tiefverborgenem Höchsten,

Unterstützt, gezwungen von rätselhaften Mächten,

Aufstrebend und halb versinkend und emporgehoben,

Stieg er ohne zu verweilen unbezwingbar auf.

Stets brütete eine zeichenlose unbestimmte Unermesslichkeit,

Ohne Zugang, jenseits von Antwort,

Das Endliche verdammend zu Nichtigkeit,

Gegenüberstellend dem Unvergleichbaren ihn.

Dann kam der Aufstieg an einen entscheidenden Punkt.

Eine Höhe war erreicht, in der nichts Erschaffenes leben konnte,

Eine Linie, wo jede Hoffnung und Suche enden muss,

Brachte eine unduldsam nackte Wirklichkeit nah,

Zog eine Null, trächtig mit grenzenlosem Wandel.

An einem schwindelerregenden Rand, wo alle Verkleidungen versagen

Und des Menschen Mental im Lichte abdanken

Oder sterben muss wie eine Motte in der nackten Glut der Wahrheit,

Da stand er, gedrängt zu einer ungeheuerlichen Wahl.

Alles, was er war, und alles, worauf er hinwuchs,

Musste nun zurückgelassen oder umgewandelt werden

In ein Selbst von Dem, das keinen Namen hat.

Allein und im Angesicht einer nicht greifbaren Kraft,

Die dem Zugriff des Denkens keine Chance ließ,

Stellte sich sein Geist dem Abenteuer des Nichts.

Verlassen von den Welten der Form mühte er sich.

Eine fruchtbare weltweite Unwissenheit scheiterte hier;

Des Denkens lange weitkreisende Reise berührte das Ende

Und wirkungslos hielt der Akteur Wille inne.

Die Symbolweisen des Daseins halfen nicht mehr,

Die Strukturen, vom Nichtwissen erbaut, stürzten in sich zusammen,

Und sogar der Geist, der das Universum hält,

Schwand hin in leuchtender Unzulänglichkeit.

In einem abgrundtiefen Einsturz aller erbauten Dinge,

Übersteigend jede vergängliche Stütze

Und einend sich zuletzt mit seinem mächtigen Ursprung,

Musste das gesonderte Selbst zergehen oder sich neu gebären

In eine Wahrheit jenseits der Anziehungskraft des Mentals.

Alle Herrlichkeit von Kontur, Lieblichkeit von Harmonie,

Verworfen wie ein Liebreiz belangloser Töne,

Ausgelöscht aus dem Schweigen des Seins, nackt und streng,

Erstarb in einer feinen und wonnevollen Nichtigkeit.

Die Demiurgen verloren ihre Namen und Formen,

Die großen schematisierten Welten, die sie geplant und bewirkt hatten,

Vergingen, eine nach der anderen erfasst und getilgt.

Das Universum nahm seinen farbigen Vorhang weg,

Und an dem unvorstellbaren Ende

Des ungeheuren Rätsels geschaffener Dinge

Erschien das Göttliche Wesen des Ganzen, fern gesehen,

Seine Füße fest und sicher auf den gewaltigen Flügeln des Lebens,

Allmächtig, ein einsamer Seher der Zeit,

Inwendig, unerforschlich, mit diamantnem Blick.

Angezogen von dem unergründlichen Betrachten

Kehrten die ungelösten langsamen Zyklen zurück zu ihrem Quell,

Um neu zu erstehen aus diesem unsichtbaren Meer.

Alles aus seiner Macht Geborene war wieder ungetan;

Nichts blieb, was das kosmische Mental sich vorstellt.

Ewigkeit, im schwinden begriffen, schien

Eine Tönung nur, der Leere auferlegt,

Raum war das Geflatter eines Traumes, der in die

Tiefen des Nichts versank, bevor er ganz zu Ende war.

Der Geist, der nicht erstirbt, und das Selbst der Gottheit

Schienen Mythen zu sein, projiziert aus dem Unerkennbaren;

Aus Diesem entspringt alles, in Diesem soll es vergehen.

Doch was Das war, konnte weder Denken noch Sehen sagen.

Übrig blieb nur eine formlose Form des Selbstes,

Ein unbedeutendes Gespenst von etwas, das einmal war,

Die letzte Erfahrung einer verebbenden Welle

Bevor sie in einem grenzenlosen Meer versinkt, –

Als wahrte sie noch kurz vor dem Nichtsein

Ihr schieres Gefühl von jenem Ozean, aus dem sie kam.

Eine Weite brütete, frei von Raum -Gefühl,

Ein Ewigdauerndes, losgelöst von Zeit;

Ein seltsam feiner unveränderlicher Friede

Wies still Welt und Seele ab.

Ein nacktes Wirkliches, ohne Begleitung,

Gab schließlich dem inbrünstigen Suchen seiner Seele Antwort:

Leidenschaftslos, wortlos, versunken in sein unergründliches Schweigen,

Wahrend das Mysterium, das niemand je durchdringen würde,

Brütete es undurchschaubar und ungreifbar,

Begegnend ihm in seiner stummen ungeheuren Ruhe.

Es hatte keine Verwandtschaft mit dem Universum:

Es gab keine Tat, keine Bewegung in seiner Weite:

Der Lebensmacht Frage erstarb vor diesem Schweigen auf ihren Lippen,

Der Welt Bemühung hörte auf, des Unwissens überführt,

Keine Zustimmung des himmlischen Lichtes findend:

Da war kein Mental mit seinem Bedürfnis zu wissen,

Da war kein Herz mit seinem Bedürfnis zu lieben.

Alle Person ging in seiner Namenlosigkeit zugrunde.

Da war kein Zweites, es hatte keinen Partner oder Ebenbürtigen;

Wirklich für sich selbst war es selber nur.

Als reines Dasein, vor Denken und Stimmung sicher,

Als Bewusstsein einer ungeteilten unsterblichen Seligkeit,

Weilte es zurückgezogen in seiner nackten Unendlichkeit,

Eins und einzig, unsagbar allein.

Ein Wesen, formlos, eigenschaftslos und stumm,

Das sich selbst nur durch sein zeitloses Selbst erkannte,

Sich stets seiner gewahr in seinen regungslosen Tiefen,

Nicht erschaffend, unerschaffen und ungeboren,

Das Eine, durch das alles lebt, das durch keinen lebt,

Eine unermesslich leuchtende Heimlichkeit,

Gehütet durch die Schleier des Ungeoffenbarten,

Über dem sich wandelnd kosmischen Zwischenspiel,

Wohnte zuhöchst, unwandelbar dasselbe,

Eine stille Ursache, okkult, undurchdringlich, –

Unendlich, ewig, undenkbar, allein.

Ende des ersten Cantos

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