Zweites Buch

Das Buch vom Weltenwanderer

Erster Canto

Die Weltentreppe

Alleine ging er, beobachtet von der Unendlichkeit

Um ihn herum und dem Unbekannten darüber.

Alles konnte gesehen werden, was sterblichem Auge sich entzieht,

Alles konnte gewusst werden, was das Mental nie begriffen hat;

Alles konnte getan werden, was kein sterblicher Wille wagen kann.

Eine grenzenlose Bewegung durchdrang einen grenzenlosen Frieden.

In einem tiefgründigen Dasein jenseits dem der Erde,

Erzeuger oder Verwandter unserer Ideen und Träume,

Wo Raum ein riesiges Experiment der Seele ist,

In einer unstofflichen Substanz, die mit unserer verbunden ist

In einer innigen Einheit aller Dinge, die sind,

Erhob sich das Universum des Unbekannten.

Eine Selbsterschaffung ohne Ende oder Rast

Enthüllte die Herrlichkeiten des Unendlichen:

Er warf in die Risiken seines Spieles

Millionen Stimmungen, Myriaden Energien,

Die Weltgestaltungen, die Fantasien seiner Wahrheit sind

Und die Formeln der Freiheit seiner Kraft.

Sie goss in das Fließen des Immerbeständigen

Eine bacchantische Verzückung und ein Schwelgen von Ideen,

Eine Leidenschaft und Bewegung von Unvergänglichkeit.

Dort stiegen ungeboren in des Unwandelbaren Wogen

Gedanken auf, die in ihrer todlosen Konsequenz verharren,

Worte, die obwohl verklungen, unsterblich bleiben,

Taten, die dem Schweigen seinen stummen Sinn entrangen,

Linien, die das Unausdrückbare vermitteln.

Die Stille des Ewigen sah in ungerührter Freude

Seine universale Macht bei ihrem Werke zeigen

In Schauspielen von Schmerz und Dramen der Freude

Das Wunder und die Schönheit ihres Willens zu sein.

Alles, selbst der Schmerz, war hier das Vergnügen der Seele;

Alle Erfahrung war hier ein einziger Plan,

Der tausendfache Ausdruck des Einen.

Alles kam auf einmal in seinen einzigen Blick;

Nichts entging seinem weiten intuitiven Sehen,

Nichts kam nah, was ihm nicht verwandt erschien:

Er war mit jener Unermesslichkeit von einem Geist.

Bilder in einem überirdischen Bewusstsein,

Die den Ungeborenen verkörpern, der niemals stirbt,

Die strukturierten Visionen des kosmischen Selbstes,

Vom Hauch der Ewigkeit des Seins belebt,

Blickten ihn an wie an die Form gebundene spirituelle Gedanken,

Gestaltend die Bewegungen des Unbeschreibbaren.

Aspekte des Seins legten Weltumriss an; Formen,

Die bewegliche Türen für göttliche Dinge öffnen,

Wurden seiner stündlichen Sicht vertraut;

Die Symbole von des Geistes Wirklichkeit,

Die lebenden Körper des Körperlosen

Kamen als seiner Tage Begleiter ihm innig nah.

Die unerschöpflichen Gesichte des schlaflosen Mentals,

Schriftzeichen seines Kontakts mit dem Unsichtbaren,

Umgaben ihn mit unzähligen hinweisenden Zeichen;

Die Stimmen von tausend Reichen der Lebensmacht

Überbrachten von ihr ihm mächtige Botschaften.

Die Himmelszeichen, die in unser irdisches Leben dringen,

Die grässlichen Vorstellungen, erträumt von Hölle,

Die, wenn aufgeführt und erfahren hier,

Unser abgestumpftes Empfindungsvermögen bald nicht mehr fühlen

Oder unsere sterbliche Gebrechlichkeit nicht lange ertragen könnte,

Waren dort in ihre sublimen Proportionen gesetzt.

Gelebt dort in ihrer aus dem Selbst geborenen Atmosphäre,

Erlangten sie neu ihre unermessliche Höhe und angestammte Macht;

Ihr bestärkender Druck auf die Seele

Ätzte tief in den Boden des Bewusstseins

Die Leidenschaft und Reinheit ihrer Extreme,

Die Absolutheit ihres einzigen Rufes

Und die hoheitsvolle Süße oder gewaltvolle Poesie

Ihrer schönen oder schrecklichen Freude.

Alles, was Denken wissen oder weitestes Sehen erkennen kann,

Und alles, was Denken und Sehen nie begreifen können,

All die okkulten und seltenen Dinge, fern und fremd,

Waren dem Herzen nah, gespürt vom Geist-Sinn.

Um Einlass bittend an den Pforten seiner Natur

Bevölkerten sie die geweiteten Räume seines Mentals,

Seiner Selbstentdeckung flammende Zeugen,

Anbietend ihr Wunderwerk und ihre Mannigfaltigkeit.

Diese wurden nun zu neuen Teilen seiner selbst,

Die Figuren im größeren Leben seines Geistes,

Die bewegte Szenerie seines weiten Zeitwanderns

Oder das buntbestickte Gewebe seiner Sinne:

Diese nahmen den Platz vertrauter menschlicher Dinge ein

Und zogen als enge Begleiter seiner Gedanken mit

Oder waren die natürliche Umgebung seiner Seele.

Unermüdlich des Herzens Abenteuer der Freude,

Endlos die Königreiche von des Geistes Seligkeit,

Erklangen zahllose Töne von den Saiten dieser einen Harmonie;

Jeder brachte seiner weitgeschwingten universalen Ausgewogenheit,

Seinem unergründlichen Gefühl von dem Ganzen in Einem,

Noten einer noch ungesehenen Vollkommenheit,

Sein einziger Rückzug in Verschwiegenheiten der Wahrheit,

Sein frohes Streiflicht auf das Unendliche.

Dort fand sich, was der Einzigartige erträumt und erschaffen hat,

Färbend mit unaufhörlicher Verzückung und Überraschung

Und einer opulenten Schönheit von leidenschaftlicher Andersartigkeit

Den wiederkehrenden Takt, der Gott momentweise in der Zeit bestimmt.

Es fehlte nur das eine zeitlose Wort,

Das Ewigkeit in seinem einsamen Laute trägt,

Die Idee, selbstleuchtender Schlüssel zu allen Ideen,

Die Ganzzahl von des Geistes vollkommener Summe,

Die das ungleiche Ganze dem gleichen Einen gleichsetzt,

Das einzige Zeichen, das jedes Zeichen deutet,

Den absoluten Hinweis auf das Absolute.

Dort ummauert und abgeschottet durch seine eigene Innerlichkeit

In einem mystischen Wall von dynamischem Licht

Sah er ein einsames riesiges hochgewölbtes Weltengebäude,

Aufgerichtet wie ein Berg-Triumphwagen der Götter,

Bewegungslos unter einem unergründlichen Firmament.

Wie vom Sockel und unsichtbaren Grund der Materie

Zu ebenso unsichtbarem Gipfel, erhob ein gemeißelt Meer von Welten

Sich mit schaumgekrönten Wogen dem Allerhöchsten zu,

Empor gen unermessliche Breiten;

Es hoffte in das Reich des Unbeschreibbaren zu steigen:

Hundert Stufen hoben es zum Unbekannten.

So türmte es sich auf in ungreifbare Höhen

Und verschwand in der stillen bewussten Weite,

Wie ein vielstöckiger Tempelturm zum Himmel aufsteigt,

Erbaut von des Menschen strebender Seele,

Um nahe an seinem Traum vom Unsichtbaren zu leben.

Unendlichkeit ruft es, während es träumt und steigt;

Seine Turmspitze berührt den Scheitelpunkt der Welt;

Hinaufsteigend in große stimmlose Schweigsamkeiten

Vermählt es die Erde mit abgeschirmten Ewigkeiten.

Inmitten der vielen Systeme des Einen

Geschaffen durch eine deutende schöpferische Freude,

Weist es uns allein den Weg zurück

Aus unserer langen Selbstverlorenheit in den Tiefen der Natur;

Auf Erden angelegt, enthält es in sich alle Reiche:

Es ist ein bündiges Kompendium des Weiten.

Dies war die einzige Treppe zum Ziel des Seins.

Eine Zusammenfassung der Stufen des Geistes,

Schuf sein Abbild der kosmischen Hierarchien

In unserer geheimen Luft des Selbstes

Ein feines Muster des Universums neu.

Es ist innen, unten, außen, oben.

Einwirkend auf diesen Plan der sichtbaren Natur,

Erweckt es den dumpfen Schlummer unseres Erdenstoffs

Zu Denken und Fühlen und auf Freude zu reagieren;

Es modelliert in uns unsere göttlicheren Teile,

Erhebt das sterbliche Mental in eine größere Luft,

Lässt dies Leben des Fleisches sich sehnen nach ungreifbaren Zielen,

Knüpft den Tod des Körpers an den Ruf der Unsterblichkeit:

Aus der Ohnmacht des Nichtbewussten heraus

Müht es sich hin zu einem überbewussten Licht.

Wäre die Erde alles und dieses nicht in ihr,

Könnte es weder Denken noch der Lebens-Freude Antwort geben:

Nur materielle Formen könnten dann ihre Gäste sein,

Angetrieben von einer leblosen Weltenkraft.

Aus dieser goldnen Überfülle gebar die Erde

Den denkenden Menschen und wird noch mehr gebären als ihn;

Dieses übergeordnete Schema des Seienden ist unsere Ursache

Und enthält den Schlüssel zu unserem aufsteigenden Schicksal;

Es ruft aus unserer dichten Sterblichkeit

Den bewussten Geist, der genährt wird im Hause der Materie.

Das lebende Symbol dieser bewussten Ebenen,

Seine Einflüsse und Gottheiten aus dem Ungesehenen,

Seine nicht gedachte Logik der Taten des Wirklichen,

Entsprungen der unausgesprochenen Wahrheit in Dingen,

Dies hat unseres Innenlebens langsam steigende Grade festgelegt.

Seine Stufen sind Schritte für die Rückkehr der Seele

Aus dem tiefsinnigen Abenteuer der stofflichen Geburt,

Eine Leiter des befreienden Aufstiegs

Und Sprossen, auf denen die Natur zur Göttlichkeit emporklimmt.

Einst, in der Vigilie eines todlosen Blickes,

Hatten diese Stufen ihren gigantischen Absturz markiert,

Den weiten und vornüberfallenden Sprung einer Gottheit Fall.

Unser Leben ist ein Holocaust des Höchsten.

Die große Weltmutter hat durch ihr Opfer

Ihre Seele zum Körper unseres Zustandes gemacht;

Auf sich nehmend Kummer und Unbewusstheit

Wob der Gottheit Fall aus ihren eigenen Herrlichkeiten

Den reich gemusterten Untergrund von allem, was wir sind.

Ein Abgott des Selbstes ist unsere Sterblichkeit.

Unsere Erde ist ein Fragment und ein Überbleibsel;

Ihre Macht ist voll mit dem Stoff größerer Welten

Und in deren Farbglanz getaucht, den ihr Schlummer trübt;

Ein Atavismus von höheren Geburten ist ihr zu eigen,

Aufgewühlt wird ihr Schlaf von ihren vergrabenen Erinnerungen

An die verlorenen Sphären, denen sie einst entfielen.

Unbefriedigte Kräfte regen sich in ihrer Brust;

Sie sind Mitwirkende an ihrem größeren wachsenden Geschick

Und ihrer Rückkehr zur Unsterblichkeit;

Sie willigen ein, ihr Los von Geburt und Tod zu teilen;

Sie entfachen Glanzsplitter des Alls und drängen

Ihren blinden arbeitsamen Geist,

Ein dürftiges Abbild des mächtigen Ganzen zusammenzustellen.

Der ruhige und leuchtende Vertraute im Innern

Stimmt ihrem Werke zu und lenkt die nicht sehende Macht.

Sein ungeheurer Plan erlaubt einen kümmerlichen Start.

Ein Entwurf, eine halbfertige Zeichnung ist das Leben der Welt;

Seine Linien zweifeln am eigenen verdeckten Sinn,

Seine Kurven finden nicht ihren hohen vorgesehenen Abschluss.

Doch ein erstes Bild von Größe zittert dort,

Und wenn die vieldeutig zusammengewürfelten Teile

Die vielfarbige Einheit getroffen haben, auf die sie sich hinbewegten,

Dann wird die Freude des Künstlers über die Regeln der Vernunft lachen;

Die göttliche Absicht wird plötzlich sichtbar,

Das Ziel die sichere Technik der Intuition rechtfertigen.

Ein Schaubild von vielen sich treffenden Welten wird es geben,

Einen Würfel und vereinigenden Kristall der Götter;

Ein Mental wird denken hinter der mentallosen Maske der Natur,

Eine bewusste Weite den alten stummen rohen Raum ausfüllen.

Diese blasse und verschwommene Skizze einer Seele, Mensch genannt,

Wird vor dem Hintergrund der langen Zeit

Als strahlender Inbegriff der Ewigkeit dastehen,

Als kleiner Punkt die Grenzenlosigkeiten enthüllen.

Das Universum ist der Prozess eines Mysteriums.

Zuerst ward ein seltsam anomales Fundament gelegt,

Ein Leeres, eine Ziffer von irgendeinem geheimen Ganzen,

Wo eine Null in ihrer Summe die Unendlichkeit enthielt

Und Alles und Nichts ein und dasselbe waren,

Ein ewig Negatives, ein Nichts als Matrix:

In seine Formen gebiert sich ewig das Kind,

Das in den Weiten Gottes auf ewig lebt.

Dann kam es zu einer langsamen Umkehrung der Bewegung:

Ein Gas stieß aus einem unsichtbaren Feuer hervor,

Aus dessen dichten Ringen diese Millionen Sterne wurden;

Auf dem neugeborenen Boden der Erde ward Gottes Schritt gehört.

Durch den dicken Qualm der Erde Unwissenheit

Begann ein Mental zu sehen und Formen zu betrachten

Und tastete nach Wissen in der nichtwissenden Nacht:

Gefangen in einem blinden steinernen Griff schuf Kraft an ihrem Plan

Und machte im Schlaf diese gewaltige mechanische Welt,

Damit Materie der eigenen Seele bewusst werde

Und die Lebens-Macht, gleich einer tüchtigen Hebamme,

Die Null entbinden möge, die Trägerin von Allem.

Weil ewige Augen den Abgründen der Erde

Die leuchtende Klarheit eines reinen Blickes zuwandten

Und einen Schatten des Unerkennbaren

Im grenzenlosen Schlaf des Nichtbewussten gespiegelt sahen,

Begann die aufgeregte Suche der Schöpfung nach dem Selbst.

Ein Geist träumte im rohen kosmischen Wirbel,

Ein Mental strömte ahnungslos im Saft des Lebens

Und die Brüste der Materie nährten die göttliche Idee.

Ein Wunder des Absoluten ward geboren;

Unendlichkeit legte eine endliche Seele an,

Ein ganzes Meer lebte in einem wandernden Tropfen,

Ein zeitgeschaffener Körper ward zum Hause des Unbegrenzbaren.

Um dies Mysterium auszuleben, kam unsere Seele hierher.

Ein Seher im Innern, der da kennt den geordneten Plan,

Der sich hinter unseren momentanen Schritten verbirgt,

Inspiriert unseren Aufstieg zu unsichtbaren Höhen,

Wie einst den abgrundtiefen Sprung zur Erde und zum Leben.

Sein Ruf hatte den Wanderer in der Zeit erreicht.

Für sich in einer unergründeten Einsamkeit,

Wanderte er in seiner lautlosen und alleinigen Stärke,

Tragend die Bürde des Verlangens der Welt.

Eine formlose Stille rief, ein namenloses Licht.

Über ihm war der weiße reglose Strahl,

Um ihn herum die ewigen Schweigsamkeiten.

Dem hochgespannten Versuch war keine Grenze gesetzt;

Eine Welt nach der anderen enthüllte ihre gehüteten Mächte,

Ein Himmel nach dem anderen seine tiefen Glückseligkeiten,

Doch noch weiter zog der unsichtbare Magnet seine Seele.

Als einsame Gestalt auf der riesigen Treppe der Natur

Stieg er hinauf zu einem nicht erkennbaren Ziel

Auf dem kahlen Gipfel erschaffener Dinge.

Ende des ersten Cantos

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