Zweites Buch

Das Buch vom Weltenwanderer

Dreizehnter Canto

Im Selbst des Mentals

Schließlich kam ein blanker gleichgültiger Himmel,

Wo Schweigen auf die kosmische Stimme lauschte,

Doch Millionen Rufen keine Antwort gab;

Das endlose Fragen der Seele fand keine Antwort.

Ungeduldige Hoffnungen fanden ein jähes Ende,

Ein tief gehendes Innehalten in einer mächtigen Stille,

Ein Schlußstrich auf der letzten Seite des Denkens

Und ein Rand und eine Leere von wortlosem Frieden.

Dort hielt die aufsteigende Hierarchie der Welten inne.

Er stand auf einem weiten Bogen des Gipfelraums

Alleine mit einem enormen Selbst des Mentals,

Das in einer Ecke seiner Weiten das ganze Leben hielt.

Allmächtig, unbeweglich und abseits für sich,

Nahm es nicht teil an der Welt, die aus ihm entsprang:

Es schenkte den Triumphgesängen des Sieges keine Beachtung,

Es war gleichgültig gegenüber seinen eigenen Niederlagen,

Es hörte den Schrei des Kummers und gab kein Zeichen;

Unparteiisch fiel sein Blick auf Böses und Gutes,

Es sah Zerstörung kommen und rührte sich nicht.

Als gleiche Ursache der Dinge, als einsamer Seher

Und Meister seiner Mannigfaltigkeit von Formen,

War es nicht tätig, sondern trug alle Gedanken und Taten,

Der bezeugende Herr der unzähligen Werke der Natur,

Der den Bewegungen ihrer Kraft zustimmt.

Sein Mental spiegelte diese weite Gemütsruhe.

Diese bezeugende Stille ist die geheime Grundlage des Denkers:

Verborgen in stillen Tiefen bildet sich das Wort,

Aus verborgenen Verschwiegenheiten gebiert sich die Tat

In das stimmreiche Mental, die ringende Welt;

In Heimlichkeit hüllt die Saat, die der Ewige sät,

Schweigen, den mystischen Geburtsort der Seele.

In Gottes höchster Zurückgezogenheit und zeitloser Ruhe

Trafen sich ein sehendes Selbst und eine mächtige Energie;

Das Schweigen erkannte sich und Denken nahm Form an:

Aus der zweifachen Macht entstieg selbstschaffend Schöpfung.

Er lebte im stillen Selbst und es in ihm;

Seine lauschenden Tiefen, stumm, unerinnerbar,

Seine Weite und seine Stille waren ihm eigen;

Damit wesenseins ward er weit, machtvoll, frei.

Losgelöst, ungebunden, blickte er auf alles, was getan wurde.

Wie einer, der seine eigenen imaginären Schauplätze erbaut

Und sich nicht in dem verliert, was er sieht,

Zuschauer eines selbstersonnenen Dramas,

Besah die Welt er und beobachtete ihre Leitgedanken

Mit der Bürde lichtvoller Prophetie in deren Augen,

Ihre Kräfte mit den Füßen von Wind und Feuer,

Entstiegen der Stummheit in seiner Seele.

Nun schien er alles zu wissen und zu verstehen;

Begehren kam nicht, noch irgendein Willensstoß,

Der große beunruhigte Fragesteller verlor seine Funktion;

Nichts blieb zu fragen, nichts zu wünschen mehr.

Dort konnte er verweilen, das Selbst, das Schweigen gewonnen:

Seine Seele hatte Frieden, sie kannte das kosmisch Ganze.

Da legte sich plötzlich ein lichtvoller Finger

Auf alles, was man sieht oder berührt oder hört oder fühlt,

Und zeigte seinem Mental, dass nichts gewusst werden kann;

Jenes muss gefunden sein, aus welchem alles Wissen kommt.

Der skeptische Strahl zertrümmerte alles Scheinbare

Und traf die Wurzeln von Denken und Sinn.

In einem Universum des Nichtwissens sind sie aufgewachsen,

Strebend nach einer überbewussten Sonne,

Spielend im Schein und Regen himmlischerer Firmamente,

Die sie, so hoch sie auch dringen, nie erreichen können

Oder übersteigen, wie eifrig sie auch vorstoßen mögen.

Ein Zweifel nagte sogar an den Mitteln des Denkens,

Misstrauen ward auf die Instrumente des Mentals geworfen;

Alles, was ihm blanke Münze der Wirklichkeit ist,

Bewiesene Tatsache, feste Schlussfolgerung, klare Ableitung,

Begründete Theorie, gesicherte Deutung,

Erwies sich als Schwindel auf der Kreditbank der Zeit

Oder als wertlose Anlage im Schatzamt der Wahrheit.

Eine Unwissenheit auf einem unbehaglichen Thron

Travestierte mit einer zufälligen Oberherrschaft

Eine Wissensfigur, gekleidet in zweifelhafte Worte

Und aufgeputzte Gedankenformen von glanzvoller Unzulänglichkeit.

Ein Arbeiter in der Dunkelheit, von Halblicht geblendet,

Was es wusste, war ein Bild in einem zerbrochenen Spiegel,

Was es sah, war wirklich, doch unwahr seine Sicht.

All die Ideen in seinem riesigen Lagerbestand

Glichen dem Grollen einer flüchtigen Wolke,

Die im Laut sich ausgibt und keine Spur hinterlässt.

Ein zerbrechliches Haus, hängend in unsicherer Luft,

Das dünne kunstvolle Netz, in dem es sich bewegt,

Für eine Weile an den Baum des Universums hingehängt,

Und dann wieder in sich selbst hereingeholt,

War nur eine Falle, um des Lebens Insektenfraß zu fangen,

Geflügelte Gedanken, die zerbrechlich in flüchtigem Lichte flattern

Doch tot, sobald sie in festen Formen des Mentals gefangen sind,

Ziele, mickrig aber im kleinen Menschenmaße eine große Rolle spielend,

Flackern des glitzernden Flors der Imagination

Und spinnwebenumwobene Überzeugungen, leblos nun.

Die magische Hütte von aufgebauten Gewissheiten,

Aus glitzerndem Staub und hellem Mondschein gemacht,

Worin es sein Bild vom Wirklichen bewahrt,

Stürzte ein in das Nichtwissen, aus dem sie erstand.

Nur ein Glanz gab es dort von symbolischen Fakten,

Die das Mysterium verhüllen, das in ihrem Leuchten lauert,

Und Unwahrheiten, die auf verborgenen Wirklichkeiten beruhen,

Durch die sie leben, bis sie der Zeit entfallen.

Unser Mental ist ein Haus, heimgesucht von erschlagen Vergangenem,

Ideen, bald mumifiziert, Geisterwesen ehemaliger Wahrheiten,

Gottes Spontaneitäten förmlich verschnürt

Und abgelegt in Schubladen der Vernunft ordnungsgemäßem Büro,

Ein Grab großer verlorener Gelegenheiten

Oder ein Amt für Missbrauch von Seele und Leben

Und all des Menschen Vergeudung der Himmelsgaben

Und all sein Verschleudern des Vorrats der Natur,

Eine Bühne für die Komödie der Unwissenheit.

Die Welt schien Schauplatz äonenlangen Misslingens zu sein:

Alles ward fruchtlos, kein Boden war sicher mehr.

Bestürmt von der Schärfe des überzeugenden Strahls

Verlor die Erbauerin Vernunft ihr Vertrauen

In die erfolgreiche Geschicklichkeit und Wendung des Denkens,

Das die Seele zur Gefangenen einer Phrase macht.

Seine höchste Weisheit war ein glänzendes Vermuten,

Seine mächtig strukturierte Wissenschaft von den Welten

Ein flüchtiges Licht auf Oberflächen des Seins.

Es gab nichts als ein vom Sinn gezeichnetes Schema,

Ein Ersatz für ewige Mysterien,

Eine roh skizzierte Figur der Wirklichkeit, ein Plan

Und Aufriss von dem Architekten Wort,

Auferlegt den Erscheinungen der Zeit.

Das Dasein selbst war von einem Zweifel überschattet;

Fast schien es wie ein schwimmendes Lotosblatt

Auf einem nackten Teiche kosmischen Nichtseins.

Dieser große Zuschauer und Schöpfer Mental

War nur Delegierter eines Halbsehenden,

Ein Schleier, der zwischen der Seele und dem Lichte hing,

Ein Götze, nicht der lebendige Körper Gottes.

Sogar der stille Geist, der auf seine Werke schaut,

War irgend blasse Front von dem Unkennbaren;

Ein Schatten schien das weite und bezeugende Selbst zu sein,

Seine Befreiung und unbewegliche Ruhe

Ein unwirksamer Rückstoß des Seins vom Zeit -Erschaffenen,

Nicht die Selbst-Vision der Ewigkeit.

Tiefer Frieden war dort, aber nicht die namenlose Kraft:

Dort war nicht unsere süße und mächtige Mutter,

Die in ihrem Schoße das Leben ihrer Kinder zusammenbringt,

Ihr Griff, der die Welt in ihre Arme schließt

In der unergründlichen Verzückung des Unendlichen,

Die Seligkeit, der Schöpfung herrliche Saat,

Oder die weiße Leidenschaft der Gott -Ekstase,

Die in der Glut des grenzenlosen Herzens der Liebe lacht.

Ein größerer Geist als das Selbst des Mentals

Musste auf das Fragen seiner Seele Antwort geben.

Denn hier gab es keinen festen Anhaltspunkt und keinen sicheren Weg;

Hochsteigende Pfade endeten im Unbekannten;

Eine künstlerische Sicht konstruierte das Jenseits

In konträren Mustern und unvereinbaren Farben;

Eine Teilerfahrung zerstückelte das Ganze.

Er schaute empor, doch alles war öde und still:

Ein saphirblaues Firmament aus abstraktem Gedankengut

Verflüchtigte sich in eine Leere ohne Form.

Er schaute hinab, doch alles war dunkel und stumm.

Ein Laut war zu hören, dazwischen, von Denken und Gebet,

Ein Ringen, ein Schaffen ohne Ende oder Pause;

Ein vergebliches und unkundiges Suchen erhob seine Stimme.

Ein Lärmen und eine Bewegung und ein Ruf,

Eine brodelnde Masse, ein unzähliger Schrei

Walzte seit je her auf der Meeresflut des Lebens

Die Küsten sterblicher Unwissenheit entlang.

Auf seiner wankenden und ungeheuren Brust

Prallten Wesen und Kräfte, Formen, Ideen gleich Wellen

Aufeinander und rangen nach Gestaltung und Vorherrschaft

Und stiegen und sanken und stiegen erneut in der Zeit;

Und auf dem Grund der schlaflosen Aufruhr,

Ein Nichtsein, das der Urheber der ringenden Welten war,

Ein riesiger Schöpfer Tod, ein mystisches Leer,

Auf ewig stützend den irrationalen Schrei,

Auf ewig ausschließend das himmlische Wort,

Reglos, verweigernd Frage und Antwort,

Ruhte unter den Stimmen und dem Marsch

Die stumme Ungewissheit des finsteren Nichtbewussten.

Zwei Firmamente, der Finsternis und des Lichts,

Setzten dem Gang des Geistes ihre Grenzen entgegen;

Der trat verhüllt aus der Unendlichkeit des Selbstes

In eine Welt von Wesen und momentanen Geschehen,

Wo alles sterben muss, um zu leben und leben, um zu sterben.

Unsterblich durch erneuerte Sterblichkeit,

Wanderte er in der Spirale seiner Taten

Oder rannte durch die Zyklen seines Denkens,

Und war doch nicht mehr als sein ursprüngliches Selbst

Und wusste nicht mehr als bei seinem Anbeginn.

Zu sein war ein Gefängnis, Auslöschung die Flucht.

Ende des dreizehnten Cantos

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